geb. 8. Mai 1907, Tanzenberg
verst. 26. April 1988, Wien[1]
Robert Walcher wächst als eines von sechs Geschwistern in Kärnten auf. Seine Eltern sind Kleinbauern. Er absolviert in St. Veit an der Glan eine dreijährige Lehre als Fleischhauer und Selcher, die er mit der Gesellenprüfung abschließt. 1926 bis 1928 arbeitet er in einer Pferdefleischerei in Wiener Neustadt. Danach geht er nach Wien, wo er unter anderem am Schlachthof St. Marx arbeitet und 1937 seine Meisterprüfung ablegt. In der Freizeit ist er Amateurboxer.
Walcher tritt 1932 in die SA ein; 1933 wird er Mitglied der NSDAP. Während der Verbotszeit betätigt er sich illegal. Walcher brüstet sich damit, am Juli-Putsch teilgenommen zu haben, was zu einer langen Haftstrafe im Anhaltelager Wöllersdorf geführt haben soll. 1937 erfolgt seine Aufnahme in der SS-Standarte 89, über Vermittlung seines Berufskollegen Alfred Slawik.
Ende 1938 heiratet Walcher seine langjährige Freundin Johanna, genannt Hansi, Zierhofer, die schwanger ist. Die Absolventin einer Haushalts- und Schneiderschule verdient ihren Lebensunterhalt mit Batik und Seidenmalerei. Nach der Hochzeit wohnt das Paar bei Hansis Mutter, einer Kriegswitwe, die im 10. Bezirk Haubesorgerin ist.
Im Juli 1939 wird Walcher bei der Zentralstelle für jüdische Auswanderung als Torwache eingestellt. Zu den anfänglichen Aufgaben des SS-Manns gehört die Ausgabe von Nummern im Rahmen des Parteienverkehrs. Bereits im Herbst 1939 begleitet er die ersten Deportationen nach Nisko am San. Später absolviert Walcher eine Ausbildung zum Lagerführer. Er ist vorerst im Lager Doppl bei Linz als stellvertretender Wachführer eingesetzt. Ab Anfang 1941 leitet er das »Umschulungslager« Sandhof in Windhag nahe Waidhofen an der Ybbs. Er misshandelt seine Opfer auf gröbste Weise und schlägt sie mit jedem Gegenstand, der ihm in die Hände fällt. Von den 421 jüdischen Häftlingen überleben nur zehn. Diese werden später Walchers Jähzorn und Brutalität bezeugen.
Walcher holt Frau und Kind auf das Gut Sandhof nach. Die Wohnung des Lagerführers wird mit Möbeln eingerichtet, die zum Teil aus einem nahegelegenen Anwesen der Familie Rothschild, zum Teil aus Beschlagnahmungen in Prag stammen. Auch ihren neuen Wohnsitz in Wien 2., Große Pfarrgasse 6, den Walchers Ende 1941 beziehen, statten sie mit enteigneten Möbeln aus. Die ehemalige jüdische Sammelwohnung liegt in praktischer Gehdistanz zu Walchers Wirkungsstätte in der Kleinen Sperlgasse. Er gehört zu jenen SS-Männern, die sich auf das »Ausheben« von Jüdinnen und Juden spezialisieren.
Im Frühjahr 1942 wird Walcher in die Slowakei abkommandiert. Gegen Jahresende kehrt er an die Zentralstelle in Wien zurück. Anfang 1943, nach dem Abschluss der großen Deportationen, übersiedelt er mit seiner Familie in den 18. Bezirk. Die Vormieterin, deren Mann Jude ist, muss die Wohnung räumen. Walcher selbst hat kaum Gelegenheit, sein neues Heim zu nutzen: Er wechselt in die Wachmannschaft des KZ Theresienstadt.
Walcher wird im Mai 1945 in Waidhofen von den Sowjets verhaftet. Das Volksgericht Wien verurteilt ihn 1946 wegen Illegalität, Quälerei und Misshandlung sowie missbräuchlicher Bereicherung zu zehn Jahren schweren Kerkers und zum Vermögensverfall. Erschwerend befindet das Gericht das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und deren Fortsetzung durch lange Zeit sowie Walchers besondere Rohheit und seinen Mangel jeder Einsicht und Reue. 1951 wird Walcher durch den Bundespräsidenten begnadigt. Unter Auflage einer fünfjährigen Probezeit, die er in Windhag verbringt, wird Walcher bedingt aus der Haft entlassen. 1955 übersiedelt er nach Wien-Brigittenau und kehrt in seinen bürgerlichen Beruf zurück. Walchers erste Anstellung ist bei einem Fleischhauer in der Wiener Innenstadt.
Robert Walcher wächst als eines von sechs Geschwistern in Kärnten auf.[2] Seine Eltern sind Kleinbauern in der Ortschaft Schwarzrock nahe Tanzenberg.[3] Er absolviert in St. Veit an der Glan eine dreijährige Lehre als Fleischhauer und Selcher, die er mit der Gesellenprüfung abschließt. 1926 bis 1928 arbeitet er in einer Pferdefleischerei in Wiener Neustadt.[4] Danach geht er nach Wien, wo er unter anderem am Schlachthof St. Marx arbeitet und 1937 seine Meisterprüfung ablegt. In der Freizeit ist er Amateurboxer.[5]
Walcher tritt 1932 in die SA ein; 1933 wird er Mitglied der NSDAP.[6] Während der Verbotszeit betätigt er sich illegal. Walcher brüstet sich damit, am Juli-Putsch teilgenommen zu haben, was zu einer langen Haftstrafe im Anhaltelager Wöllersdorf geführt haben soll. Zudem will er als Rauchfangkehrer verkleidet eine Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus gehisst haben.[7] 1937 erfolgt seine Aufnahme in der SS-Standarte 89,[8] über Vermittlung seines Berufskollegen Alfred Slawik.[9]
Im Dezember 1938 heiratet Walcher seine langjährige Freundin Johanna, genannt Hansi, Zierhofer,[10] die schwanger ist.[11] Die Absolventin einer Haushalts- und Schneiderschule verdient ihren Lebensunterhalt mit Batik und Seidenmalerei.[12] Nach der Hochzeit wohnt das Paar bei Hansis Mutter, einer Kriegswitwe, die in Wien, 10., Simmering, Haubesorgerin ist.[13]
Im Juli 1939 wird Walcher bei der Zentralstelle für jüdische Auswanderung als Torwache eingestellt. Zu den anfänglichen Aufgaben des SS-Manns gehört die Ausgabe von Nummern im Rahmen des Parteienverkehrs. Bereits im Herbst 1939 begleitet er die ersten Deportationen nach Nisko am San.[14] Später absolviert Walcher eine Ausbildung zum Lagerführer. Er ist vorerst im Lager Doppl bei Linz als stellvertretender Wachführer eingesetzt.[15] Ab Anfang 1941 leitet er das „Umschulungslager“ Sandhof in Windhag nahe Waidhofen an der Ybbs. Er misshandelt seine Opfer auf gröbste Weise und schlägt sie mit jedem Gegenstand, der ihm in die Hände fällt, ohne Unterschiede zwischen jungen und älteren Menschen zu machen.[16] Von den 421 jüdischen Häftlingen überleben nur zehn.[17] Diese werden später Walchers Jähzorn und Brutalität bezeugen.[18]
Walcher holt Frau und Kind auf das Gut Sandhof nach. Die Wohnung des Lagerführers wird mit Möbeln eingerichtet, die zum Teil aus einem nahegelegenen Anwesen der Familie Rothschild, zum Teil aus Beschlagnahmungen in Prag stammen.[19] Auch ihren neuen Wohnsitz in Wien, 2., Leopoldstadt, Große Pfarrgasse 6, den Walchers Ende 1941 beziehen, statten sie mit enteigneten Möbeln aus.[20] Die ehemalige jüdische Sammelwohnung liegt in praktischer Gehdistanz zu Walchers Wirkungsstätte in der Kleinen Sperlgasse. Er gehört zu jenen SS-Männern, die sich auf das „Ausheben“ von Jüdinnen und Juden spezialisieren und deren Transport in das Sammellager durchführen.[21]
Im Frühjahr 1942 wird Walcher in die Slowakei abkommandiert. Gegen Jahresende kehrt er an die Zentralstelle in Wien, zurück. Anfang 1943, nach dem Abschluss der großen Deportationen, übersiedelt er mit seiner Familie nach Wien, 18., Währing, Wallrissstraße 1.[22] Jüdische Zwangsarbeiter, die der Zentralstelle zugewiesen sind, besorgen die Renovierung.[23] Die Vormieterin, deren Mann Jude ist, muss die Wohnung räumen.[24] Walcher selbst hat kaum Gelegenheit, sein neues Heim zu nutzen: Er wechselt in die Wachmannschaft des KZ Theresienstadt.
Walcher wird im Mai 1945 in Waidhofen von den Sowjets verhaftet.[25] Seine Frau, die sich gegen Kriegsende auf das Lagergelände in Windhag zurückgezogen hat, wird von einem benachbarten Bauern aufgenommen.[26] Über Jahre erhält sie von der Gemeinde für sich und inzwischen drei Kinder eine monatliche Unterhaltszahlung.[27]
Das Volksgericht Wien verurteilt Walcher 1946 wegen Illegalität, Quälerei und Misshandlung sowie missbräuchlicher Bereicherung zu zehn Jahren schweren Kerkers und zum Vermögensverfall. Erschwerend befindet das Gericht das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und deren Fortsetzung durch lange Zeit sowie Walchers besondere Rohheit und seinen Mangel jeder Einsicht und Reue.[28]
[1] Feuerhalle Simmering, Grab 6-1-2-69.
[2] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/216874, fol. 2890. Ärztliche Untersuchungsbogen.
[3] Pfarre r. k. Deutsch-Griffen, Geburtsbuch X, fol. 30. Eltern: Blasius Walcher, Elisabeth geb. Rieser.
[4] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 1029/45, fol. 112. Ersuchen um Erhebungen, 4.1.1946.
[5] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/216874, fol. 2877. Lebenslauf.
[6] BArch Berlin, RSHA, Sign. R 58/11994, fol. 101. Beurteilung, 12.7.1940.
[7] WStLA, LGfSS, Volksgericht, Zl. Vg 2d Vr 1029/45, fol. 126–129. Anklageschrift, 18.9.1946.
[8] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/216874, fol. 2876. R. u. S.-Fragebogen.
[9] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 1029/45, fol. 153–187. Hauptverhandlung, 3.12.1946.
[10] Johanna Walcher, geb. Zierhofer, 17.9.1906, Wien, best. 29.6.1979.
[11] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/216874, fol. 2868. Verlobungs- und Heiratsgesuch.
[12] Ebd., fol. 2899. Lebenslauf.
[13] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 1029/45, fol. 109. Zeugenvernehmung Alois Kospach, 21.5.1946.
[14] Ebd., fol. 153–187. Hauptverhandlung, 3.12.1946.
[15] Ebd., fol. 84. Zeugenvernehmung Hermann Riegler, 11.1.1946.
[16] Ebd., fol. 102. Zeugenvernehmung Walter Neuhaus, 5.4.1946.
[17] Ebd., fol. 29–30. Zeugenvernehmung Rudolf Flussmann, 4.10.1945.
[18] Ebd., fol. 83. Zeugenvernehmung Hans Beck, 11.1.1946.
[19] Ebd., fol. 29–30. Zeugenvernehmung Rudolf Flussmann, 4.10.1945, 27.10.1945.
[20] Ebd., fol. 46. Zeugenvernehmung Johanna Walcher, 12.10.1945.
[21] Ebd., fol. 153–187. Hauptverhandlung, 3.12.1946. Aussage Walter Schwarz.
[22] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 21686. Ummeldung.
[23] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. Vr 1029/45, fol. 108. Zeugenvernehmung Franziska Höllweger, 21.5.1946.
[24] Maria Bauer, Emil Bauer, verzogen nach Wien, 2., Weintraubengasse 30.
[25] WStLA, MA119, A42 NS-Registrierung, A42, Zl. 2619. Niederschrift.
[26] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 1029/45, fol. 40. Zeugenvernehmung Engelbert Wagner, 12.10.1945.
[27] WStLA, MA119, A42, NS-Registrierung, Zl. 2619. Gendarmariepostenkommando Waidhofen/Ybbs an Bezirkshauptmannschaft, 19.8.1948.
[28] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 1029/45, fol. 191–199. Urteil, 3.12.1946.
[29] Ebd., fol. 341. LGfSS an PVA, 27.9.1972.