geb. 22. August 1910, Erfurt
verst. 5. Mai 1945, Hlásná Třebaň
Hans Günther wird 1910 als ältester Sohn eines Kaufmanns in Thüringen geboren. Mitte 1914, unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wandern die Eltern mit Hans und seinem jüngeren Bruder Rolf nach Nordamerika aus. Die Familie kehrt jedoch nach nur acht Monaten nach Deutschland zurück. Hier werden zwei weitere Brüder geboren.
Nach Besuch der Bürgerschule in Erfurt absolviert Günther eine dreijährige Lehre als kaufmännischer Angestellter. Nach deren Abschluss ist er an verschiedenen Handelshäusern als Buchhalter tätig. 1928, im Alter von 18 Jahren, tritt Günther der SA bei, 1929 der NSDAP. 1931 schließt er sich in Mecklenburg dem Freiwilligen Arbeitsdienst im Bund der Artamanen, einer radikal-völkischen Siedlerbewegung, an. 1932–1933 ist er auf dem Gut des Landesbauernführers Karl Seemann beschäftigt. Seiner NSDAP-Ortsgruppe dient er als Propagandaleiter. Nachdem er 1934 arbeitslos wird, besucht er die SA-Führerschule und tritt schließlich im September 1935 gemeinsam mit seinem Bruder Rolf in die Gestapo Erfurt ein. 1937 wechseln beide Brüder von der SA zur SS.
Mitte 1938 werden sie hauptamtlich in den SD übernommen und als Referenten an die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien entsendet. Im Personalstab der Zentralstelle gehören die zwei Brüder zu den wenigen »reichsdeutschen« Mitarbeitern; Eichmann verlässt sich bevorzugt auf Kameraden aus der Österreichischen Legion.
Mitte 1939 erfolgt die Versetzung des als »stark idealistisch« beschriebenen Hans Günther an die Zentralstelle in Prag, vorerst als deren stellvertretender Leiter unter Eichmann, ab 1940, nach Eichmanns Berufung nach Berlin, als alleinverantwortlicher Leiter. In dieser Funktion koordiniert Günther die Enteignung der jüdischen Bevölkerung im »Protektorat Böhmen und Mähren« und leitet deren Deportation in das KZ Theresienstadt. Seine verwitwete Mutter bedenkt er mit wöchentlichen Lebensmittelpaketen und ausgewählten Objekten aus enteignetem Besitz.
1941 heiratet Günther seine Mitarbeiterin Christel Glasemann, die er als Sekretärin im SD in Prag kennenlernt. Die aus Landsberg an der Warthe (heute: Gorzów Wielkopolski) stammende Frau ist ebenfalls langjähriges Parteimitglied und hat mehrere Dienstjahre im RSHA in Berlin sowie in dessen Filialen in Prag und Kattowitz aufzuweisen. Ein erstes von zwei Kindern wird 1942 in Prag geboren.
Als Leiter der Zentralstelle für jüdische Auswanderung, die ab 1942 Zentralamt für die Regelung der Judenfrage in Böhmen und Mähren heißt, beauftragt Hans Günther Ende 1943 einen Dokumentarfilm über Theresienstadt. Das propagandistische Machwerk, das später unter dem Titel »Der Führer schenkt den Juden eine Stadt« bekannt wird, soll das KZ als Musterlager darstellen und die tatsächlichen Verbrechen verschleiern. Als Regisseur verpflichtet man Lagerhäftling Kurt Gerron. Der einstige Star des Weimarer Kinos wird kurz nach Abschluss der Dreharbeiten 1944 in Auschwitz ermordet.
Zu Kriegsende flüchtet Hans Günther gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Karl aus Prag. Er gerät rund 30 Kilometer südöstlich der Hauptstadt in eine Straßensperre tschechischer Partisanen und wird vermutlich in dem Handgemenge getötet.
Hans Günther wird 1910 als ältester Sohn eines Kaufmanns in Thüringen geboren.[1] Mitte 1914, unmittelbar vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wandern die Eltern mit Hans und seinem jüngeren Bruder Rolf nach Nordamerika aus.[2] Die Familie kehrt jedoch nach nur acht Monaten nach Deutschland zurück.[3] Hier werden zwei weitere Brüder geboren.
Nach Besuch der Bürgerschule in Erfurt absolviert Günther eine dreijährige Lehre als kaufmännischer Angestellter. Nach deren Abschluss ist er an verschiedenen Handelshäusern als Buchhalter tätig. 1928, im Alter von 18 Jahren, tritt Günther der SA bei, 1929 der NSDAP.[4] 1931 schließt er sich in Mecklenburg dem Freiwilligen Arbeitsdienst im Bund der Artamanen, einer radikal-völkischen Siedlerbewegung, an. 1932–1933 ist er auf dem Gut des Landesbauernführers Karl Seemann beschäftigt.[5] Seiner NSDAP-Ortsgruppe dient er als Propagandaleiter.[6] Nachdem er 1934 arbeitslos wird, besucht er die SA-Führerschule und tritt schließlich im September 1935 gemeinsam mit seinem Bruder Rolf in die Gestapo Erfurt ein.[7] 1937 wechseln beide Brüder von der SA zur SS. Mitte 1938 werden sie hauptamtlich in den SD übernommen und als Referenten an die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien entsendet. Im Personalstab der Zentralstelle gehören die zwei Brüder zu den wenigen „reichsdeutschen“ Mitarbeitern; Eichmann verlässt sich bevorzugt auf Kameraden aus der Österreichischen Legion.
Mitte 1939 erfolgt die Versetzung des als „stark idealistisch“[8] beschriebenen Hans Günther an die Zentralstelle in Prag, vorerst als deren stellvertretender Leiter unter Eichmann, ab 1940, nach Eichmanns Berufung nach Berlin, als alleinverantwortlicher Leiter. In dieser Funktion koordiniert Günther die Enteignung der jüdischen Bevölkerung im Protektorat Böhmen und Mähren und leitet deren Deportation in das KZ Theresienstadt. Seine verwitwete Mutter bedenkt er mit wöchentlichen Lebensmittelpaketen und ausgewählten Objekten aus enteignetem Besitz.[9]
1941 heiratet Günther seine Mitarbeiterin Christel Glasemann,[10] die er als Sekretärin im SD in Prag kennenlernt.[11] Die aus Landsberg an der Warthe (heute: Gorzów Wielkopolski) stammende Frau ist ebenfalls langjähriges Parteimitglied und hat mehrere Dienstjahre im RSHA in Berlin sowie in dessen Filialen in Prag und Kattowitz aufzuweisen.[12] Ein erstes von zwei Kindern wird 1942 in Prag geboren.
Als Leiter der Zentralstelle für jüdische Auswanderung, die ab 1942 Zentralamt für die Regelung der Judenfrage in Böhmen und Mähren heißt, beauftragt Hans Günther Ende 1943 einen Dokumentarfilm über Theresienstadt. Das propagandistische Machwerk, das später unter dem Titel „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ bekannt wird, soll das KZ als Musterlager darstellen und die tatsächlichen Verbrechen verschleiern. Als Regisseur verpflichtet man Lagerhäftling Kurt Gerron. Der einstige Star des Weimarer Kinos wird kurz nach Abschluss der Dreharbeiten 1944 in Auschwitz ermordet.[13]
[1] Eltern: Emil Günther, Lydia geb. Starkloff
[2] List or Manifest of Alien Passengers for the United States Immigration Officer at Port of Arrival, SS Kaiserin Augusta Victoria, Hamburg 23.6.1914, New York, 2.7.1914. www.ancestry.com (abgerufen 20.4.2024).
[3] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/527902, fol. 1007–1010. Fragebogen.
[4] Ebd.
[5] Ebd., fol. 1011–1012. Lebenslauf.
[6] Ebd., fol. 1013–1014. Politischer Lebenslauf.
[7] Ebd., fol. 1011–1012. Lebenslauf.
[8] Ebd., fol. 1019. Personal-Bericht.
[9] Jan Björn Pottharst, Das jüdische Zentralmuseum der SS in Prag , Frankfurt 2002, 81.
[10] Christel Günther, geb. Glasemann, 25.12.1912, Elbing.
[11] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/61685, fol. 26. R. u. S.-Fragebogen.
[12] Ebd., fol. 28. Lebenslauf.
[13] Karel Margry, Der Nazi-Film über Theresienstadt, in: Miroslav Kárny/Vojtech Blodig/Margita Kárná (Hg.), Theresienstadt in der „Endlösung der Judenfrage“, Prag 1992, 285−306.
[14] Karl Günther, geb. 30.12.1919, Erfurt.
[15] LAB, B Rep. 057-01, Nr. 1171. Tagsatzungsprotokoll, Aussage Hans Fidler, 25.8.1955.