geb. 24. Juni 1913, Wien
verst. 30. Jänner 1971, Klaus an der Pyhrnbahn
Eduard Hahn wächst im 2. Bezirk auf. Sein Vater ist von Beruf Kutscher, die Mutter Dienstmädchen. Später bestreiten die Eltern ihren Unterhalt als Hausbesorger. Nach der Volks- und Bürgerschule macht Hahn eine Ausbildung als Elektromonteur, wird jedoch nach vierjähriger Lehrzeit arbeitslos.
Hahn, der 1929 als 16-Jähriger in die SA eintritt, ist ab 1932 Mitglied der NSDAP. Mit zwei Gleichgesinnten verübt er 1933 einen Bölleranschlag auf ein jüdisch-geführtes Warenhaus in seiner Wohngegend. 1934 wechselt er von der SA zur SS, wo man ihn vorerst zum Truppführer, später zum Rottenführer befördert. In seinem Zivilberuf hingegen findet Hahn über Jahre keine Beschäftigung. Wegen nationalsozialistischer Betätigung während der Verbotszeit sitzt Hahn insgesamt dreizehn Monate ab. Aufgrund seiner Vorstrafen muss er sich zweimal die Woche polizeilich melden und verliert die Arbeitslosenunterstützung.
All das ändert sich schlagartig mit dem »Anschluss«. Hahn macht ehrenamtlichen Dienst in der SS-Ordonnanz beim Reichsstatthalter in Wien. Im Frühjahr 1939 erhält er eine Haftentschädigung von 600 Reichsmark, was ihm den Schritt in die Unabhängigkeit ermöglicht. Er heiratet Margarete, genannt Gretl, Zeilmayr, die wie er aus der Leopoldstadt stammt und als Hilfsarbeiterin bei einem Gummiwarenerzeuger beschäftigt ist. Das junge Paar wohnt vorerst bei ihren Eltern. Nachdem bald das erste von drei Kindern geboren wird, übersiedelt es in das gegenüberliegende Haus, Gabelsbergergasse 2. Die jüdische Familie, die hier lebt, muss die Wohnung räumen.
Auch Hahns Bemühungen um einen Posten bei Staat oder Stadt fruchten. Im November 1939 wird der SS-Mann in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung aufgenommen. Seine Aufgabe als Hilfskraft sei lediglich das Tragen und Einreihen von Akten gewesen, wird Hahn später behaupten. Er sei wenige Wochen danach bei der Wehrmacht eingerückt und habe bis Kriegsende im Infanterieregiment 316, zuletzt im Rang eines Unteroffiziers, gedient. Ob es weitere Überschneidungen mit Eichmanns Stab gibt, ist unklar. Tatsächlich scheint Hahn über Verbindungen zu verfügen, die über die eines gewöhnlichen Soldaten hinausgehen: 1941 erhält Hahn als »Alter Kämpfer« von Reichsleiter Baldur von Schirach den Blutorden, die höchste Auszeichnung der NSDAP.
Hahn, der sich im März 1945 in Stuttgart und Anfang 1946 in Oberbayern aufhält, trifft mit seiner Familie in der oberösterreichischen Gemeinde Pichl bei Windischgarsten zusammen. Nach seiner Registrierung als ehemaliger Nationalsozialist wird er im Herbst 1946 in Haft genommen. 1947 verurteilt ihn das Volksgericht Linz wegen Illegalität und Hochverrat zu einem Jahr schweren Kerkers sowie zum Verfall seines gesamten Vermögens. Nach seiner Entlassung ist Hahn als Hilfsarbeiter bei der VÖEST im Kalksteinbruch Pichl und später im Kalkwerk Steyrling beschäftigt. Er steigt zum Betriebsratsobmann der SPÖ auf und bekleidet hohe Funktionen in der oberösterreichischen Landesleitung der Metall- und Bergarbeitergewerkschaft. Seinem Gnadengesuch auf Nachsicht von den Sühnefolgen wird 1955 mit Unterstützung der SPÖ stattgegeben.
Hahns NS-Vergangenheit wird 1962 publik, nachdem er für die fristlose Entlassung eines VÖEST-Arbeiters sorgt, der seinen Schutzhelm mit der Parole »Nazi raus« bemalt hatte. Ideengeberin für diese Aktion ist die Lebensgefährtin des Entlassenen, die Hahn aus der NS-Zeit kennt. Ihr gelingt es, nachdem Hahn wegen Ehrenbeleidigung klagt, den Wahrheitsbeweis zu erbringen. Infolge seines Outings als Eichmann-Mitarbeiter wird Hahn im Prozess gegen seinen einstigen SS-Kameraden Franz Novak als Zeuge geladen. Hahn entschlägt sich jedoch der Aussage: Es gäbe »sehr viele Novaks«, an den konkret Beschuldigten habe er keine Erinnerung.
Eduard Hahn wird in Wien geboren und wächst in Wien, 2., Leopoldstadt, unweit des Pazmanitentempels auf.[1] Sein Vater ist von Beruf Kutscher, die Mutter Dienstmädchen.[2] Später bestreiten die Eltern ihren Unterhalt als Hausbesorger.[3] Nach der Volks- und Bürgerschule macht Hahn eine Ausbildung als Elektromonteur, wird jedoch nach vierjähriger Lehrzeit arbeitslos.[4]
Hahn, der 1929 als 16-Jähriger in die SA eintritt, ist ab 1932 Mitglied der NSDAP, Ortsgruppe Leopoldstadt.[5] Mit zwei Gleichgesinnten verübt er 1933 einen Bölleranschlag auf ein jüdisch-geführtes Warenhaus in seiner Wohngegend.[6] 1934 wechselt er von der SA zur SS-Standarte 11, wo man ihn vorerst zum Truppführer, später zum Rottenführer befördert. In seinem Zivilberuf hingegen findet Hahn über Jahre keine Beschäftigung. Wegen nationalsozialistischer Betätigung während der Verbotszeit sitzt Hahn insgesamt dreizehn Monate, unter anderem im Anhaltelager Wöllersdorf, ab.[7] Aufgrund seiner Vorstrafen muss er sich zweimal die Woche polizeilich melden[8] und verliert die Arbeitslosenunterstützung.[9]
All das ändert sich schlagartig mit dem „Anschluss“. Hahn macht ehrenamtlichen Dienst in der SS-Ordonnanz beim Reichsstatthalter in Wien.[10] Dazu gehört unter anderem der Absperr- und Wachtdienst in der Nordwestbahnhalle anlässlich des Besuchs Adolf Hitlers im April 1938, im Vorfeld der Volksabstimmung.[11] Im Frühjahr 1939 erhält Hahn für seine Haftzeiten eine Entschädigung von 600 Reichsmark,[12] was ihm den Schritt in die Unabhängigkeit ermöglicht. Er heiratet Margarete, genannt Gretl, Zeilmayr, die wie er aus der Leopoldstadt stammt.[13] Die Tochter eines Angestellten der städtischen Gaswerke ist als Hilfsarbeiterin bei einem Gummiwarenerzeuger beschäftigt.[14] Das junge Paar wohnt vorerst bei ihren Eltern. Nachdem bald das erste von drei Kindern geboren wird, übersiedelt es in das gegenüberliegende Haus, Gabelsbergergasse 2. Die jüdische Familie, die hier lebt, muss die Wohnung räumen.[15]
Auch Hahns Bemühungen um einen Posten bei Staat oder Stadt fruchten. Im November 1939 wird der SS-Mann in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung aufgenommen. Seine Aufgabe als Hilfskraft sei lediglich das Tragen und Einreihen von Akten gewesen, wird Hahn später behaupten.[16] Er sei wenige Wochen danach bei der Wehrmacht eingerückt und habe ab Jänner 1940 im Infanterieregiment 316, zuletzt im Rang eines Unteroffiziers, gedient.[17] Ob es weitere Überschneidungen mit Eichmanns Stab gibt, ist unklar.[18] Tatsächlich scheint Hahn über Verbindungen zu verfügen, die über die eines gewöhnlichen Soldaten hinausgehen: 1941 erhält Hahn als „Alter Kämpfer“ von Reichsleiter Baldur von Schirach den Blutorden, die höchste Auszeichnung der NSDAP.[19]
[1] Pfarre r. k. Alservorstadtkrankenhaus, Taufbuch, Bd. 230, fol. 699. Eltern: Michael Hahn, Hedwig geb. Luska.
[2] Pfarre r. k. St. Leopold, Trauungsbuch, Bd. 48, fol. 120.
[3] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 1032/49.
[4] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/64566, fol. 2754. Lebenslauf.
[5] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 101.279. NS-Betreuungsstelle, Fragebogen.
[6] Ebd. Berufungsbescheid, 31.3.1933. Vgl. Ein Böllerattentat in der Taborstraße, Neues Wiener Tagblatt, 14.3.1934, 10; Das Böllerattentat gegen das Warenhaus Schiffmann, Kleine Volks-Zeitung, 21.3.1934, 12.
[7] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 101.279. Erhebung.
[8] Ebd. Mein Lebenslauf.
[9] Ebd. Arbeitsamt Wien an NSDAP, 9.3.1939.
[10] Ebd. Mein Lebenslauf.
[11] Ebd. Betreuungsstelle, Fragebogen.
[12] Ebd. Kassa-Bestätigung, 7.4.1939.
[13] Margarete Hahn, geb. Zeilmayr, 8.5.1921, Wien, verst. 26.6.2010, Kirchdorf an der Krems. Pfarre r. k. St. Leopold, Taufbuch, Bd. 87, fol. 26.
[14] WStLA, MA116, Standesamt Leopoldstadt, Familienbuch, Zl. 1141/39.
[15] Oskar Jellinek, Privatbeamter, geb. 16.10.1876, Olmütz, dept. 3.12.1941, KZ Riga; Johanna geb. Schiffer, 14.7.1884, Wien, dept. 3.12.1941, KZ Riga. Die Tochter aus
erster Ehe, Martha Jellinek, geb. 22.11.1918, stirbt 16.11.1941 im Sammellager in der Castellezgasse.
[16] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. Vr 1032/49, fol. 65–67. Vernehmung des Beschuldigten Eduard Hahn, 21.7.1949.
[17] OÖLA, Strafakt, Zl. Vr 4930/46, 5123/46, fol. 45–48. Hauptverhandlung, 2.12.1947. WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. Vr 1032/49, fol. 65–67. Vernehmung des Beschuldigten Eduard Hahn, 21.7.1949.
[18] ÖStA, AdR, BMI, 23059-16/71. Sicherheitsdirektion, Information, 6.5.1963.
[19] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 101279. NSDAP Reichsleitung, 3.4.1941. Vgl. Ehrentag für 70 alte Kämpfer, Das kleine Volksblatt, 27.5.1941, 4.
[20] Suchanzeige, in: Arbeiter-Zeitung, 13.1.1946, 4.
[21] Gemeinde Freising, Registrierung von Ausländern und deutschen Verfolgten. www.ancestry.de (abgerufen 16.8.2024).
[22] OÖLA, Strafakt, Zl. Vr 4930/46, 5123/46, fol. 7–9. Meldeblatt, 29.8.1946; Niederschrift, 26.9.1946.
[23] Ebd., fol. 55–57. Urteil, 2.12.1947.
[24] Ebd., fol. 49. VOEST, Bestätigung, 2.12.1947.
[25] ÖStA, AdR, BMI, Zl. 23059-16/71. BMI, Information, 12.10.1962.
[26] ÖStA, BKA/§27 (Verbotsgesetz). SPÖ Zentralsekretariat an Präsidentschaftskanzlei, 4.6.1954.
[27] ÖStA, AdR, BMI, Zl. 23059-16/71.
[28] VÖEST-Betriebsrat kam aus Eichmanns Stab, Neues Österreich, 18.10.1962, 5; „Nazi‘ raus! – Entlassungsgrund, Volksstimme, 18.10.1962.