Täter & Täterinnen
Biografien

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Biografien

Halbprofil von Mann in hellem Anzug, weißem Hemd und breitgestreifter Krawatte, schaut links an der Kamera weit vorbei. Hakenkreuz- und SS-Pinnadel am Revers. © Deutsches Bundesarchiv
Ernst Girzick © Deutsches Bundesarchiv
Frontalaufnahme von Mann in hellem Anzug, weißem Hemd und breitgestreifter Krawatte, schaut zur Kamera. Hakenkreuz- und SS-Pinnadel am Revers. © Deutsches Bundesarchiv
Ernst Girzick © Deutsches Bundesarchiv

Ernst Girzick

SS-Obersturmführer

geb. 17. Oktober 1911, Wien
verst. 4. März 1977, Neumarkt am Wallersee[1]


Ernst Girzick wird als drittes von sechs Kindern geboren und wächst in Hietzing auf. Als Teenager tritt er dem Deutschen Turnerbund bei. Girzick absolviert eine Lehre als Elektromonteur, die er 1930 mit der Gesellenprüfung abschließt. Nachdem er wegen Arbeitsmangels nicht im erlernten Beruf unterkommt, geht Girzick 1931 zum österreichischen Bundesheer. Kurz darauf tritt er in die NSDAP ein und wird Mitglied des Deutschen Soldatenbunds, der neu gegründeten nationalsozialistischen Soldatengewerkschaft.

 

Nachdem seine NS-Betätigung 1933 zu seiner fristlosen Entlassung führt, schließt sich Girzick dem Österreichischen Arbeitsdienst an. Gegenstand dieses Beschäftigungsprogramms für arbeitslose Jugendliche ist offiziell der Siedlungsbau; tatsächlicher Zweck ist die nationalsozialistische Schulung. Dessen Auflösung im Jänner 1934 führt zu einem Aufmarsch gewaltbereiter Hakenkreuzler, bei dem Sprengkugeln und Papierböller gezündet werden. Als einer der Rädelsführer wird Girzick zu fünfeinhalb Jahren schweren Kerkers verurteilt, sitzt davon allerdings wenig mehr als zwei Jahre ab. Infolge des Juliabkommens wird Girzick 1936 amnestiert und kann sich nach Deutschland absetzen, wo er sich der Österreichischen Legion anschließt.

 

Im August 1938 kehrt Girzick in seine Geburtsstadt zurück. Zu Jahresende heiratet er seine langjährige Freundin Margarete, genannt Grete, Marchtrenker. Sowohl die Braut als auch deren Eltern sind langjährige Parteimitglieder aus der Verbotszeit. Mitte 1939 bezieht das Paar eine »arisierte« Zweizimmer-Wohnung in der Linzer Straße 182. Girzick kommt vorerst im Ordnungsdienst der NS-Vermögensverkehrsstelle unter. Dank Protektion als »Alter Kämpfer« wechselt er 1939 in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung, wo er zunächst für die Überprüfung von Reisepapieren und Sichtvermerken sowie Aufenthaltsgenehmigungen verantwortlich ist.

 

Als ehemaliger Legionär ist Girzick Träger der Ostmark-Medaille, die für Verdienste um den »Anschluss« verliehen wird. 1940 erhält er den Blutorden, die höchste Auszeichnung der NSDAP. Nach der Geburt des zweiten Kindes übersiedelt Familie Girzick Ende 1941 weiter an den Wiener Stadtrand, in die Linzer Straße 442, in eine geräumige Wohnung mit weitläufigem Garten. Deren Mieter, ein pensionierter Hofrat der Bundesbahnen, wird Mitte 1942 nach Maly Trostinec deportiert.

 

Girzicks Ehrgeiz und Fanatismus werden mit rascher Karriere belohnt. Er avanciert zum Stellvertreter von Brunner I und Anfang 1943 zu dessen Nachfolger, obwohl dies seinem SS-Rang nicht entspricht. Im April 1943 wechselt er nach Prag, um die Leitung der dortigen Zentralstelle zu übernehmen. In dieser Funktion ordnet Girzick im November 1943 eine Zählung im KZ Theresienstadt an. Über einen Tag lang müssen rund 40.000 Häftlinge Appell stehen, wobei hunderte Menschen erfrieren. 1944 beteiligt sich Girzick unter Eichmanns Kommando an der Deportation ungarischer Jüdinnen und Juden.

 

Girzick wird 1945 bei Karlsbad und erneut im November 1946 in Neumarkt am Wallersee nahe Salzburg verhaftet und von den Amerikanern in Camp Marcus W. Orr (genannt Glasenbach) interniert. 1948 verurteilt ihn das Volksgericht Wien zu fünfzehn Jahren schweren Kerkers sowie zum Verfall seines gesamten Vermögens. Die Haft wird durch ein monatliches hartes Lager und Dunkelhaft am 10. November, dem Jahrestag der Theresienstädter Zählung, verschärft. Girzick sitzt jedoch weniger als die Hälfte seiner Haftstrafe ab: Zu Weihnachten 1953 wird er vom österreichischen Bundespräsidenten amnestiert. Nach seiner Freilassung lässt sich Girzick in Neumarkt am Wallersee nieder, wo er als Buchhalter arbeitet.

Ernst Girzick wird als drittes von sechs Kindern geboren[2] und wächst in Wien, 13., Hietzing auf. Als Teenager tritt er dem Deutschen Turnerbund bei.[3] Girzick absolviert eine Lehre als Elektromonteur, die er 1930 mit der Gesellenprüfung abschließt. Sein Vater, der für die Internationale Schlafwagengesellschaft arbeitet, stirbt im selben Jahr.[4] Nachdem er wegen Arbeitsmangels nicht im erlernten Beruf unterkommt, geht Girzick 1931 zum österreichischen Bundesheer. Kurz darauf tritt er in die NSDAP, Ortsgruppe Speising-Lainz, ein[5] und wird Mitglied des Deutschen Soldatenbunds, der neu gegründeten nationalsozialistischen Soldatengewerkschaft.


Nachdem seine NS-Betätigung 1933 zu seiner fristlosen Entlassung führt, schließt sich Girzick dem Österreichischen Arbeitsdienst an.[6] Gegenstand dieses Beschäftigungsprogramms für arbeitslose Jugendliche ist offiziell der Siedlungsbau; tatsächlicher Zweck ist die nationalsozialistische Schulung. Dessen Auflösung im Jänner 1934 führt zu einem Aufmarsch gewaltbereiter Hakenkreuzler, bei dem Sprengkugeln und Papierböller gezündet werden.[7] Als einer der Rädelsführer wird Girzick zu fünfeinhalb Jahren schweren Kerkers verurteilt,[8] sitzt davon allerdings wenig mehr als zwei Jahre ab. Während seiner Haft wird er in die illegale SS-Standarte 89 übernommen. Infolge des Juliabkommens wird Girzick 1936 amnestiert und kann sich nach Deutschland absetzen, wo er sich der Österreichischen Legion anschließt. Er kommt vorerst in das SS-Lager Ranis in Thüringen. Ende 1937 vermittelt ihm das NS-Flüchtlingswerk Arbeit als Schaffner bei der Dresdner Straßenbahn.[9]


Im August 1938 kehrt Girzick in seine Geburtsstadt zurück. Zu Jahresende heiratet er seine langjährige Freundin Margarete, genannt Grete, Marchtrenker.[10] Nicht nur aufgrund ihrer Ausbildung als Säuglingspflegerin, auch wegen ihrer politischen Einstellung eignet sie sich für die Ehe mit einem SS-Mann.[11] Sowohl die Braut als auch deren Eltern sind langjährige Parteimitglieder aus der Verbotszeit.[12] Das Paar wohnt bei Girzicks verwitweter Mutter; Mitte 1939 bezieht es eine „arisierte“ Zweizimmer-Wohnung in der Linzer Straße 182.13 Girzick kommt vorerst im Ordnungsdienst der NS-Vermögensverkehrsstelle unter. Dank Protektion als „Alter Kämpfer“ wechselt er 1939 in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung,[14] wo er zunächst für die Überprüfung von Reisepapieren und Sichtvermerken sowie Aufenthaltsgenehmigungen verantwortlich ist.[15]


Als ehemaliger Österreichischer Legionär ist Girzick Träger der Ostmark-Medaille, die für Verdienste um den „Anschluss“ verliehe wird.[16] 1940 erhält Girzick den Blutorden, die höchste Auszeichnung der NSDAP.[17] Nach der Geburt des zweiten Kindes übersiedelt Familie Girzick Ende 1941 weiter an den Wiener Stadtrand, in die Linzer Straße 442,[18] in eine geräumige Wohnung mit weitläufigem Garten.[19] Deren Mieter, ein pensionierter Hofrat der Bundesbahnen, der hier mit seiner Mutter und zwei Schwestern wohnt, wird Mitte 1942 nach Maly Trostinec deportiert.[20]


Girzicks Ehrgeiz und Fanatismus und seine bedingungslose Ausführung aller Befehle werden mit rascher Karriere belohnt. Er avanciert zum Stellvertreter von Brunner I und nach dessen Versetzung nach Berlin Anfang 1943 zu dessen Nachfolger, obwohl dies seinem SS-Rang nicht entspricht. Im April 1943 wechselt er nach Prag, um die Leitung der dortigen Zentralstelle zu übernehmen. In dieser Funktion ordnet Girzick im November 1943 eine Zählung im KZ Theresienstadt an. Über einen Tag lang müssen rund 40.000 Häftlinge im Bauschowitzer Kessel Appell stehen, wobei Hunderte Menschen erfrieren. 1944 beteiligt sich Girzick unter Eichmanns Kommando an der Deportation ungarischer Jüdinnen und Juden. Dabei kommen ihm vermutlich seine Ungarisch-Kenntnisse zugute, die er seiner Mutter verdankt.[21]


Girzick wird 1945 bei Karlsbad und erneut im November 1946 in Neumarkt am Wallersee nahe Salzburg verhaftet und von den Amerikanern in Camp Marcus W. Orr (genannt „Glasenbach“) interniert. 1948 verurteilt ihn das Volksgericht Wien zu fünfzehn Jahren schweren Kerkers sowie zum Verfall seines gesamten Vermögens.[22] Die Haft wird durch ein monatliches hartes Lager und Dunkelhaft am 10. November, dem Jahrestag der Theresienstädter Zählung, verschärft. Girzick sitzt jedoch weniger als die Hälfte seiner Haftstrafe ab: Zu Weihnachten 1953 wird er vom österreichischen Bundespräsidenten amnestiert.[23] Nach seiner Freilassung lässt sich Girzick in Neumarkt am Wallersee nieder, wo er als Buchhalter arbeitet.

[1] Kommunalfriedhof Salzburg. www.findagrave.com (abgerufen 8.12.2022).

[2] Pfarre r. k. Maria Hietzing, Taufbuch, Bd. 12, fol. 28. Eltern: Adolf Girzick, Anna geb. Molnár.

[3] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/54414, fol. 1620. R. u. S.-Fragebogen.

[4] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 253.480. Eidesstattliche Erklärung.

[5] Ebd.

[6] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/54414, fol. 1621–1622. Lebenslauf.

[7] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 253.480. Vormerkung, 2.6.1937. Vgl. Schwere Exzesse von Nazi-Arbeitsdienstlern, Der Tag, 11.1.1934, 1.

[8] Siehe z. B. Sprengkugeln und Papierböller, Neues Wiener Tagblatt, 21.7.1934, 10.

[9] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/54414, fol. 1621–1622. Lebenslauf.

[10] Margarete Girzick, geb. Marchtrenker, 12.7.1911, Wien, verst. 10.5.1998, Wolfsberg. Pfarre r. k. Altsimmering, Taufbuch, Bd. 48, fol. 201.

[11] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/54414, fol. 1706–1707. R. u. S.-Fragebogen, Lebenslauf.

[12] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 8881/46, Bd. I, fol. 33–35. Bericht, 25.7.1946. Eltern: Georg Marchtrenker, Anna geb. Kreuter, Parteimitglieder ab
1934 bzw. 1936.

[13] Ebd., Bd. I, fol. 227. Polizeidirektion Wien, Meldung, 25.2.1947.

[14] Siehe: Markus Brosch, Täter – die Mitarbeiter der Wiener „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, in: Dieter J. Hecht/Michaela Raggam-Blesch/Heidemarie Uhl (Hg.), Letzte Orte: Die Wiener Sammellager und die Deportationen 1941/42 , Wien 2019, 137–149.

[15] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 8881/46, Bd. I, fol. 23–24. Vernehmung des Beschuldigten, 12.2.1948; Staatsanwaltschaft Wien, Zl. 15 St 109560/99, Teil 7, fol. 223–225. Niederschrift, 20.2.1965.

[16] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/526375.

[17] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 253480, unfol. Personal Akt. Vgl. Neue Blutordensträger, Völkischer Beobachter, 20.4.1940, 9.

[18] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 253.480. Ummeldung.

[19] Grundbuch, KG Hütteldorf, EZ 135. Eigentümerin 1938: Violetta Tauber geb. Engelberg.

[20] Dr. Hugo Schimmerl, geb. 29.9.1875, Krumau, dept. 27.5.1942, KZ Maly Trostinec; Ida Schimmerl, geb. 4.6.1879, dept. 27.5.1942, KZ Maly Trostinec. DÖW, Opferdatenbank. Die Mutter Anna Schimmerl, geb. Lewit, verst. 2.10.1940, Wien.

[21] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 253.480. Eidesstattliche Erklärung.

[22] WStLA, MA119, A42, NS Registrierung, Zl. 1932. Urteil, 1.10.1948.

[23] Siehe: Eva Holpfer, Die justizielle Verfolgung der Mitarbeiter der ‚Zentralstelle für jüdische Auswanderung‘ nach 1945, in: Hecht et al. (Hg.), Letzte Orte,
187–206.