geb. 20. Juni 1914, Mödling
verst. unbekannt, Todeserklärung 22. Mai 1952
Herbert Gerbings Vater ist Buchhalter, der Großvater bekannter Tonwarenfabrikant in Nordböhmen. Die Mutter hingegen stammt aus einer Arbeiterfamilie. Als jüngstes von vier Geschwistern wächst Gerbing in Wien-Baumgarten auf. Nach der Volksschule strebt er eine pädagogische Ausbildung an der Wiener Lehrerbildungsanstalt an, bricht diese aber nach vier Jahren ab. 1930 tritt er in eine Drogistenlehre ein, verliert diese Stelle jedoch bald infolge nationalsozialistischer Betätigung. Arbeitslosigkeit wechselt sich mit kurzlebigen Anstellungen ab. Gerbing ist Büropraktikant im Radiowerk Horny, Lehrling in der Reparaturwerkstätte der Steyr Automobilfabrik, Hilfsarbeiter in einer Champignonzüchterei und schließlich Büroangestellter in der Schokoladenfabrik Stollwerck.
Gerbings nationalsozialistisches Engagement erweist sich als dauerhafter. Der ausgezeichnete Sportler, der seit früher Kindheit beim Deutschen Turnerbund trainiert, schließt sich 1930 der HJ an. Als 18-Jähriger wird Gerbing in die NSDAP und die SA aufgenommen, 1933 erfolgt sein Wechsel zur SS. Gerbings Familie teilt seine nationalsozialistische Gesinnung. Schwester Edith arbeitet als Sekretärin im Adolf-Hitler-Haus, dann in der Rechtsanwaltskanzlei von Otto Wächter, bevor sie sich 1934 mit ihrem Verlobten zur Österreichischen Legion nach Deutschland absetzt. Auch der ältere Bruder Walter ist bei der SS. Gerbings spätere Frau Franziska Urban ist während der Verbotszeit im BDM organisiert. Ab 1938 ist sie als Stenotypistin in der NS-Vermögensverkehrsstelle beschäftigt, jener Behörde, die mit der Erfassung und »Arisierung« jüdischen Privatvermögens beauftragt ist.
Gerbing heuert 1938 in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung an. Anfang 1939 wird er vorübergehend nach Berlin versetzt, kehrt aber bald nach Wien zurück. Ab 1941 gehört Gerbing zu jenen SS-Männern, die Razzien gegen die jüdische Bevölkerung durchführen. Diese »Aushebungen« finden unter der erzwungenen Mitwirkung von Mitarbeitern der Kultusgemeinde statt. Dem gescheiterten Lehramtsaspiranten liegt dabei offenbar daran, sich von seinen rohen Kollegen abzuheben: Gerbing schlägt nicht nur mit eigenen Händen zu, sondern lässt seine Anweisungen bevorzugt durch jüdische »Ausheber« umsetzen. Ungleich des harten Kerns der Eichmann-Männer hat Gerbing einiges an Bildung vorzuweisen. Sein Habitus sei der eines »verbummelten Medizinstudenten« gewesen, wird es in den Nachkriegsakten heißen.
Gerbing zieht auch persönlichen Profit aus der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. 1940 bezieht er das Erdgeschoss eines Zweifamilienhauses in Wien 13., Erzbischofsgasse 57. Die jüdische Besitzerin und deren 85-jährige Mutter müssen die Wohnung binnen weniger Tage räumen. Ab 1942 ist Gerbing in der Slowakei, Berlin, Thessaloniki und zuletzt in Frankreich stationiert, wo er sich an Razzien in Paris und Nizza beteiligt. Als seine besondere Spezialität gilt das Aufspüren und »Ausheben« von Jüdinnen und Juden, die sich versteckt halten.
Gerbings Nachkriegsverbleib ist unbekannt. Eine letzte Nachricht an seine Frau und zwei Kinder kommt Mitte März 1945 aus Prag. Da er als verschollen gilt, muss sich Gerbing für seine Verbrechen nie verantworten. Statt ihm verurteilt man 1946 einen ihm unterstellten jüdischen »Ausheber« zu fünfzehn Jahren schweren Kerkers. Dieser sei schuldig, seine Glaubensgenossen ins Unglück gestürzt zu haben, anstatt sich dem Befehl des SS-Mannes zu verweigern, so das Gericht. Gerbings Opfer nimmt sich am Tag der Urteilsverkündung das Leben.
Herbert Gerbings Vater ist Buchhalter,[1] der Großvater bekannter Tonwarenfabrikant in Nordböhmen.[2] Die Mutter hingegen stammt aus einer Arbeiterfamilie aus Möllersdorf nahe Traiskirchen[3] und verdient ihren Lebensunterhalt als Stubenmädchen. Die ungleiche Herkunft und Konfession erschweren die Verbindung. Die Eltern heiraten erst 1911,[4] sodass die älteren zwei Kinder unehelich und katholisch, die zwei jüngeren ehelich und evangelisch geboren werden.
Als jüngstes der vier Geschwister wächst Gerbing in Wien-Baumgarten auf. Nach der Volksschule strebt er eine pädagogische Ausbildung an der Wiener Lehrerbildungsanstalt an, bricht diese aber nach vier Jahren ab. 1930 tritt er in eine Drogistenlehre ein, verliert diese Stelle jedoch bald infolge nationalsozialistischer Betätigung. Arbeitslosigkeit wechselt sich mit kurzlebigen Anstellungen ab. Gerbing ist Büropraktikant im Radiowerk Horny, Lehrling in der Reparaturwerkstätte der Steyr Automobilfabrik, Hilfsarbeiter in einer Champignonzüchterei und schließlich Büroangestellter in der Schokoladenfabrik Stollwerck.[5]
Gerbings nationalsozialistisches Engagement erweist sich als dauerhafter. Der ausgezeichnete Sportler,[6] der seit früher Kindheit beim Deutschen Turnerbund trainiert, schließt sich 1930 der HJ an. Als 18-Jähriger wird Gerbing in die NSDAP und die SA aufgenommen, 1933 erfolgt sein Wechsel zur SS, in die Standarte 89 mit Sitz in Wien, 13., Hietzing.[7] Gerbings Familie teilt seine nationalsozialistische Gesinnung. Schwester Edith[8] arbeitet als Sekretärin im Adolf-Hitler-Haus, dann in der Rechtsanwaltskanzlei von Otto Wächter, bevor sie sich 1934 mit ihrem Verlobten zur Österreichischen Legion nach Deutschland absetzt.[9] Auch der ältere Bruder Walter ist bei der SS.[10] Gerbings spätere Frau Franziska Urban[11] ist während der Verbotszeit im BDM organisiert. Ab 1938 ist sie als Stenotypistin in der NS-Vermögensverkehrsstelle beschäftigt,[12] jener Behörde, die mit der Erfassung und „Arisierung“ jüdischen Privatvermögens beauftragt ist.
Gerbing heuert 1938 in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung an.[13] Anfang 1939 wird er vorübergehend nach Berlin zur SS-Standarte „Totenkopf“ versetzt,[14] kehrt aber bald nach Wien zurück. Ab 1941 gehört Gerbing zu jenen SS-Männern, die Razzien gegen die jüdische Bevölkerung durchführen. Diese „Aushebungen“ finden unter der erzwungenen Mitwirkung von Mitarbeitern der Kultusgemeinde statt. Dem gescheiterten Lehramtsaspiranten liegt dabei offenbar daran, sich von seinen rohen Kollegen abzuheben: Gerbing schlägt nicht nur mit eigenen Händen zu, sondern lässt seine Anweisungen bevorzugt durch jüdische „Ausheber“ umsetzen. Ungleich des harten Kerns der Eichmann-Männer hat Gerbing einiges an Bildung vorzuweisen. Sein Habitus sei der eines „verbummelten Medizinstudenten“ gewesen, wird es in den Nachkriegsakten heißen.[15] Um so mehr versteht er es, sich der ihm unterstellten jüdischen Hilfsarbeiter zu bedienen, die er als unfreiwillige und ohnmächtige Vollstrecker seiner Anweisungen brutal missbraucht.
Gerbing zieht auch persönlichen Profit aus der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. 1940 bezieht er das Erdgeschoss eines Zweifamilienhauses in Wien, 13., Erzbischofsgasse 57. Die verwitwete jüdische Besitzerin und deren 85-jährige Mutter müssen die Wohnung binnen weniger Tage räumen.[16] Ab 1942 ist Gerbing in der Slowakei, Berlin, Thessaloniki und zuletzt in Frankreich stationiert, wo er sich an Razzien in Paris und Nizza beteiligt. Als seine besondere Spezialität gilt das Aufspüren und „Ausheben“ von Jüdinnen und Juden, die sich versteckt halten.
[1] Pfarre evang. A. B., Mödling, Bd 3, fol. 215. Eltern: Friedrich Emil (Fritz) Gerbing, Katharina (Käthe) geb. Gutmann.
[2] Friedrich Alexander Gerbing ist Inhaber der Tonwarenfabrik F. & A. Gerbing in Bodenbach an der Elbe (heute: Podmokly), die sich auf die Produktion von Majolika, Siderolith und Kunstterrakotta spezialisiert.
[3] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/52899, fol. 860. SS-Ahnentafel.
[4] Pfarre evang. A. B., Baden, Trauung 28.5.1911.
[5] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/52899, fol. 847. Lebenslauf.
[6] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 1, Bd. 1, Bogen 4, fol. 221–233. Eidesstattliche Erklärung Dieter Wisliceny.
[7] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen NSDAP, Sign. R 9361-II/287741. Verlobungs- und Heiratsgesuch.
[8] Edith Götzl, geb. Gerbing, 6.6.1913, Wien, verst. 11.1.2006.
[9] Friedrich Wilhelm Maria (Fritz) Götzl, SS-Scharführer, geb. 12.8.1909, Spitz/Donau, verst. 27.5.1940, Le Paradis, Frankreich. Vgl. Christiane Rothländer, Anfänge der SS, Wien 2012, 198–199.
[10] Walter Gerbing, geb. 10.4.1907, Möllersdorf, Todeserklärung per 9.5.1945. Pfarre r. k. Traiskirchen, Bd. 12, fol. 201; WStLA, LGfZRS, Zl. 48T 5751/48.
[11] Franziska Gerbing, geb. Urban, 20.10.1918, Wien, verst. nach 1965.
[12] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen NSDAP, Sign. R 9361-II/287741. Lebenslauf.
[13] Siehe: Markus Brosch, Täter – die Mitarbeiter der Wiener ‚Zentralstelle für jüdische Auswanderung‘, in: Dieter J. Hecht/Michaela Raggam-Blesch/Heidemarie Uhl (Hg.), Letzte Orte: Die Wiener Sammellager und die Deportationen 1941/42, Wien 2019, 137–149.
[14] Standesamt Hietzing, Familienbuch, Zl. 12/1939. Antrag auf Abkürzung der Aufgebotsfrist, 4.1.1939.
[15] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 2911/45, fol. 125–164. Hauptverhandlung 8.7.1946. Ebd., fol. 167 ff. Urteil, 8.7.1946.
[16] Elsa Koditschek, geb. Schleifer, 29.2.1884, Steyr, best. 5.6.1961; Rosalia recte Therese Schleifer, geb. 28.5.1855, Deutsch Beneschau (heute: Benešov nad Černou), verst. 19.8.1940, Wien. Olga Kronsteiner, Wie eine jüdische Sammlerin Tür an Tür mit einem SS-Scharführer lebte, Handelsblatt, 24.1.2019.
[17] WStLA, LGfZRS, Zl. 48T 2323/50.
[18] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 2911/45, fol. 167ff. Urteil, 8.7.1946. Wilhelm Reisz, geb. 2.3.1892, Wien, verst. 8.7.1946, Wien.
[19] Doron Rabinovici, Instanzen der Ohnmacht, Frankfurt am Main 2000, 14–20. Vgl. SS-Konfident Reisz hat sich erhängt, Neues Österreich, 11.7.1946, 3.