Täter & Täterinnen
Biografien

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Erika Scholz

verh. van Rijn

geb. 30. Dezember 1924, Wien
verst. 21. März 2000[1]


Erika Scholz wächst im 20. Bezirk als Tochter eines Straßenbahnschaffners auf. Sie ist ein Kind aus der zweiten Ehe ihres Vaters, der sich, jung verwitwet, 1924 wieder verheiratet. Erikas bei der Trauung erst 19-jährige, aus Südmähren stammende Mutter ist wesentlich jünger als ihr Mann. Er bringt eine 8-jährige Tochter, Erna, mit in die Ehe. 1934 lassen sich die Eltern scheiden. Erika bleibt vorerst bei der Mutter, jedoch wird ihr das Kind gerichtlich abgenommen und dem Vater in Obsorge gegeben. Nachdem dieser Anfang 1938 stirbt, kommt Erika von den väterlichen Verwandten zurück zur Mutter.

 

Während sich ihre ältere Schwester Erna als Jugendliche in den späten 1920er-Jahren zuerst den Roten Falken, dem Verein sozialistischer Mittelschüler und schließlich der Freien Gewerkschaft anschließt, wird Erika ab 1938 in der nationalsozialistischen Jugendbewegung sozialisiert. Sie belegt beim BDM vorerst einen Stenografie-, dann einen Schreibmaschinenkurs. Sie arbeitet ein Jahr als Stenotypistin bei der HJ, bevor sie im Jänner 1941, im Alter von 16 Jahren, über Vermittlung ihrer Freundin Elfriede Joksch in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien eintritt.

 

In der Zentralstelle wird Erika Scholz Adolf Eichmann als Schreibkraft zugeteilt. Als Eichmann bald darauf zum Leiter des »Judenreferats« IV B 4 im RSHA befördert wird, nimmt Scholz das Angebot an, mit ihm nach Berlin zu gehen. Bis 1943 ist Eichmanns junge Mitarbeiterin in der bürokratischen Abwicklung der Deportation beschäftigt. Sie arbeitet den Sachbearbeitern Karl Hrosinek, Richard Hartmann, Franz Stuschka und schließlich Franz Novak zu. Sie schreibt nach Diktat, zeichnet die Reinschriften ab und überträgt Schriftstücke, die die Deportation und Ermordung von Jüdinnen und Juden behandeln. Die ledigen Schreibkräfte des RSHA sind in einem Haus in der Kurfürstenstraße neben der Dienststelle untergebracht.

 

Im Frühjahr 1944 wird Scholz nach Łódź versetzt, in die Umwandererzentralstelle (UWZ). Grund für die Versetzung ist vermutlich ihr Verhältnis zu Friedrich Boßhammer, einem hochrangigen RSHA-Mitarbeiter. Offiziell ist von ihrer Schwester die Rede. Erna, jetzt verheiratete Eberl, ist Revolutionäre Sozialistin und sitzt aufgrund ihrer Betätigung im Widerstand ab 1942 eine mehrjährige Zuchthausstrafe ab. Erika Scholz dagegen wechselt Mitte 1944 von Łódź zur Zentralstelle in Prag. Im Dezember 1944 kehrt sie nach Wien zurück, wo sie bei der Gestapo am Morzinplatz Verwendung findet.

 

Nach Kriegsende heiratet Erika Scholz den Holländer Paul Hendrik van Rijn, den sie aus ihrer Tätigkeit in der Zentralstelle in Prag kennt; die Ehe wird jedoch geschieden.

 

Im Prozess gegen Franz Novak in den späten 1960er-Jahren wird Scholz mehrfach als Zeugin vernommen. Sie belastet ihren ehemaligen Vorgesetzten schwer. Da ihr als weibliche Hilfskraft keine Strafverfolgung droht, fällt ihre Aussage eindeutig aus. Scholz bekräftigt, sich stets im Klaren darüber gewesen zu sein, dass die zu Deportierenden in den Tod geschickt wurden. Nicht nur sie, sondern alle Mitarbeitenden im Eichmann-Referat hätten gewusst, was unter dem Generalbegriff »Endlösung der Judenfrage« zu verstehen war. Selbiges habe auch für Friedrich Boßhammer gegolten, konzediert Erika Scholz in dem 1970 eingeleiteten Verfahren gegen ihren ehemaligen Geliebten.

Erika Scholz wächst in Wien, 20., Brigittenau als Tochter eines Straßenbahnschaffners auf.[2] Sie ist ein Kind aus der zweiten Ehe ihres Vaters, der sich, jung verwitwet, 1924 wieder verheiratet.[3] Erikas bei der Trauung erst 19-jährige, aus Südmähren stammende Mutter ist wesentlich jünger als ihr Mann. Er bringt eine 8-jährige Tochter, Erna, mit in die Ehe.[4] 1934 lassen sich die Eltern scheiden.[5] Erika bleibt vorerst bei der Mutter, jedoch wird ihr das Kind gerichtlich abgenommen und dem Vater in Obsorge gegeben.[6] Nachdem dieser Anfang 1938 stirbt,[7] kommt Erika von den väterlichen Verwandten zurück zur Mutter.[8]


Während sich ihre ältere Schwester Erna als Jugendliche in den späten 1920er-Jahren zuerst den Roten Falken, dem Verein sozialistischer Mittelschüler und schließlich der Freien Gewerkschaft anschließt,[9] wird Erika ab 1938 in der nationalsozialistischen Jugendbewegung sozialisiert. Sie belegt beim BDM vorerst einen Stenografie-, dann einen Schreibmaschinenkurs. Sie arbeitet ein Jahr als Stenotypistin bei der HJ, bevor sie im Jänner 1941, im Alter von 16 Jahren, über Vermittlung ihrer Freundin Elfriede Joksch in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien eintritt.[10]


In der Zentralstelle wird Erika Scholz Adolf Eichmann als Schreibkraft zugeteilt. Als Eichmann bald darauf zum Leiter des „Judenreferats“ IV B 4 im RSHA befördert wird, nimmt Scholz das Angebot an, mit ihm nach Berlin zu gehen.[11] Bis 1943 ist Eichmanns junge Mitarbeiterin in der bürokratischen Abwicklung der Deportation beschäftigt. Sie arbeitet den Sachbearbeitern Karl Hrosinek, Richard Hartmann, Franz Stuschka und schließlich Franz Novak zu. Sie schreibt nach Diktat, zeichnet die Reinschriften ab und überträgt Schriftstücke, die die Deportation und Ermordung von Jüdinnen und Juden behandeln.[12] Die ledigen Schreibkräfte des RSHA sind in einem Haus in der Kurfürstenstraße neben der Dienststelle untergebracht; Erika Scholz teilt ein Zimmer mit ihrer Freundin Erna Fingernagel.[13]


Im Frühjahr 1944 wird Scholz nach Łódź versetzt, in die Umwandererzentralstelle, genannt UWZ, die ebenfalls dem SD untersteht. Grund für die Versetzung ist vermutlich ihr Verhältnis zu Friedrich Boßhammer,[14] einem hochrangigen RSHA-Mitarbeiter. Offiziell ist von ihrer Schwester die Rede.[15] Erna, jetzt verheiratete Eberl, ist Revolutionäre Sozialistin und sitzt aufgrund ihrer Betätigung im Widerstand ab 1942 eine mehrjährige Zuchthausstrafe ab. Erika Scholz dagegen wechselt Mitte 1944 von Łódź zur Zentralstelle in Prag.[16] Im Dezember 1944 kehrt sie nach Wien zurück, wo sie bei der Gestapo am Morzinplatz Verwendung findet.[17]


Nach Kriegsende heiratet Erika Scholz den Holländer Paul Hendrik van Rijn,[18] den sie aus ihrer Tätigkeit in der Zentralstelle in Prag kennt; die Ehe wird jedoch geschieden.


Im Prozess gegen Franz Novak in den späten 1960er-Jahren wird Scholz mehrfach als Zeugin vernommen.[19] Sie belastet ihren ehemaligen Vorgesetzten schwer. Da ihr als weibliche Hilfskraft keine Strafverfolgung droht, fällt ihre Aussage eindeutig aus. Scholz bekräftigt, sich stets im Klaren darüber gewesen zu sein, dass die zu Deportierenden in den Tod geschickt wurden. Nicht nur sie, sondern alle Mitarbeitenden im Eichmann-Referat hätten gewusst, was unter dem Generalbegriff „Endlösung der Judenfrage“ zu verstehen war.[20] Selbiges habe auch für Friedrich Boßhammer gegolten, konzediert Erika Scholz in dem 1970 eingeleiteten Verfahren gegen ihren ehemaligen Geliebten.[21]

[1] Friedhof Großjedlersdorf, Grab 24-6-1.

[2] Pfarre r. k. St. Brigitta, Taufbuch, Bd. 49, fol. 212. Eltern: Karl Scholz, Anna geb. Mach.

[3] Pfarre r. k. St. Brigitta, Trauungsbuch, Bd. 42, fol. 122.

[4] Pfarre r. k. Graz St. Peter, Taufbuch, Bd. 1916, fol. 364.

[5] WStLA, BG Leopoldstadt, A6, Zl. 3 Nc 175/34.

[6] WStLA, BG Leopoldstadt, A4, Zl. 30 P 173/44.

[7] Pfarre r. k. Lainz, Sterbebuch, Bd. 48, fol. 66.

[8] WStLA, Historische Meldedaten.

[9] Ernestine (Erna) geb. Scholz, 15.2.1916, Graz, verst. 7.2.1976, Wien; verh. (1) Eberl, (2) Wachs. Gestapo, Tagesrapport, Nr. 8, 19./20.5.1942. DÖW, Gestapo-Opfer (Arbeiterbewegung). Siehe: Margarete Schütte-Lihotzky, Erinnerungen aus dem Widerstand , Wien 1994, 193; Eintrag Ernestine Eberl, Biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen. http://biografia.sabiado.at/eberl-ernestineerna/ (abgerufen 28.4.2024). Ernas zweiter Mann, Walter Wachs, geb. 2.8.1913,

Wien, verst. 22.1.1991, Wien, war ehemaliger Spanienkämpfer; nach Kriegsende ist er Mitglied des Zentralkomitees der KPÖ und Bundesleiter der FÖJ.

[10] Erika Scholz und Elfriede Joksch stammen beide aus Brigittenau, aus geschiedenem Elternhaus; ihre Väter sind beide Straßenbahner.

[11] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 6, Bd. 14, fol. 375–398. Hauptverhandlung, 29.9.1966. Ebd., fol. 489–495, Niederschrift Erika Scholz, 18.9.1966.

[12] Siehe z. B.: WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 5, Bd. 11, fol. 1101–1113. Abschrift Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung von Juden nach dem Osten (KL Auschwitz), 20.2.1943, beglaubigt durch Erika Scholz.

[13] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 8953/66, Teil 3, fol. 75–88. Zeugenvernehmung Erika Scholz, 13.5.1970.

[14] Ebd.

[15] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 8, Bd. 18, fol. 215–241. Hauptverhandlung, 27.3.1972. WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 8953/66, Teil 1, Bd. II, fol. 265–287. Niederschrift Erika Scholz, 19.9.1967.

[16] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 8953/66, Teil 3, fol. 75–88. Zeugenvernehmung Erika Scholz, 13.5.1970.

[17] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 7, Bd. 15, fol. 347–380. Hauptverhandlung, 11.12.1969.

[18] Paul Hendrik van Rijn, geb. 25.1.1923, Utrecht, verst. 9.10.1984, Voorhout.

[19] Siehe Gabriele Anderl, Orte der Täter: Der NS-Terror in den „arisierten“ Wiener Rothschild-Palais, Wien 2005, 48.

[20] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 6, Bd. 14, fol. 375–398. Hauptverhandlung, 29.9.1966. Ebd., Teil 7, Bd. 15, fol. 347–380. Hauptverhandlung, 11.12.1969.

[21] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 8953/66, Teil 3, fol. 75–88. Zeugenvernehmung Erika Scholz, 13.5.1970.