Täter & Täterinnen
Biografien

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Profil von Frau in Trachtensakko, mit Bluse darunter, braune Locken fast schulterlang © Deutsches Bundesarchiv
Rosa Leitner © Deutsches Bundesarchiv

Rosl Leitner

verh. Günnel


geb. 10. März 1919, Wien
verst. 3. Jänner 2023, Wien [1]


Rosa Leitner, genannt Rosl, wächst im 7. Bezirk am Lerchenfelder Gürtel auf. Beide Eltern sind in Wien gebürtig: Die Mutter ist gelernte Kleidermacherin, der Vater arbeitet als Expeditionsleiter der Reichspost, einer christlich-sozialen Tageszeitung mit rechtskonservativer, antisemitischer Ausrichtung. Rosl Leitner besucht die Volks-, Haupt- und Handelsschule. 1938 legt sie die Staatsprüfung in deutscher Sprache, Stenografie und Maschinschreiben mit Vorzug ab und tritt kurz darauf in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung ein.

 

Fräulein Leitner überzeugt durch ihre gewissenhafte, selbstständige Arbeitsweise und steigt schnell zur Vorzimmersekretärin von Adolf Eichmann und Hans Günther auf. Im Herbst 1939 wechselt sie zur Zentralstelle für jüdische Auswanderung nach Prag, wo sie in der Verwaltungs- und Verwertungsstelle des Auswanderungsfonds für Böhmen und Mähren arbeitet. Diese an die Zentralstelle angegliederte Behörde kontrolliert das enteignete Vermögen tschechischer Jüdinnen und Juden.

 

Im Sommer 1940 bringt Rosl Leitner eine uneheliche Tochter in Prag zur Welt. Deren Vater ist der aus Graz stammende Allgemeinmediziner Dr. Karl Schenk. Der langjährige Parteigenosse macht nach dem »Anschluss« Karriere als Polizei-Stabsarzt in Wien. Unterstützt durch ihre Mutter, die das Kind in Prag betreut, kehrt Rosl Leitner ins Berufsleben zurück.

 

Ihre Dienstzeit in Prag überschneidet sich mit jener von SS-Obersturmführer Gerhard Günnel. Der gebürtige Sachse ist ehemaliger Mitarbeiter der Gestapo in Dresden und des RSHA in Berlin. Er stößt 1940 zum SD-Leitabschnitt Prag und wird im März 1942 zur Zentralstelle für jüdische Auswanderung kommandiert. Dort ist Günnel für den Bereich »Registrierung, Transport und Abwanderung« von Jüdinnen und Juden zuständig. Laut eigener Angabe fällt die Beurteilung strittiger Abstammungsnachweise in seine Kompetenz. Im Klartext bedeutet dies, dass Günnel die Entscheidung darüber trifft, ob »Mischlinge« oder in »Mischehen« lebende Menschen nach Theresienstadt zurückgestellt oder deportiert werden. Der Auftritt des SS-Manns in einem 1942 gedrehten Propagandafilm über das KZ Theresienstadt ist Zeugnis aus dieser Zeit.

 

Rosl Leitner und Gerhard Günnel heiraten Mitte November 1942. Als Bürge für die Braut fungiert Adolf Eichmann, der mit der Eheschließung seine verlässliche Mitarbeiterin verliert. Gegen Kriegsende trennen sich die Wege: Auf der Flucht aus Prag im Mai 1945 wird Gerhard Günnel von den Tschechen verhaftet und 1947 zu zwanzig Jahren schweren Kerkers verurteilt. Rosl Günnel, die bereits früher aus Prag evakuiert wurde, kehrt mit ihrer Tochter zurück nach Wien. Sie lässt sich 1952, während dessen Haft, von ihrem Mann scheiden. Der Hinweis auf dessen Verurteilung als Kriegsverbrecher wird als Scheidungsgrund gestrichen: Im Urteil heißt es lediglich, Gerhard Günnel habe »weder die Möglichkeit noch den Willen«, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen.

 

Rosl Günnel verheiratet sich nicht wieder. Ihr Ex-Mann wird Ende 1955 vorzeitig entlassen und kehrt nach Deutschland zurück.

Rosa Leitner, genannt Rosl, wächst in Wien, 7., am Lerchenfelder Gürtel auf.[2] Beide Eltern sind in Wien gebürtig: Die Mutter ist gelernte Kleidermacherin, der Vater arbeitet als Expeditionsleiter der „Reichspost“, einer christlichsozialen Tageszeitung mit rechtskonservativer, antisemitischer Ausrichtung.[3] Rosl Leitner besucht die Volks-, Haupt- und Handelsschule. 1938 legt sie die Staatsprüfung in deutscher Sprache, Stenographie und Maschinschreiben mit Vorzug ab und tritt kurz darauf über den SD in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung ein.[4]


Fräulein Leitner überzeugt durch ihre gewissenhafte, selbstständige Arbeitsweise[5] und steigt schnell zur Vorzimmersekretärin von Adolf Eichmann und Hans Günther auf.[6] Im Herbst 1939 wechselt sie zur Zentralstelle für jüdische Auswanderung nach Prag,[7] wo sie in der Verwaltungs- und Verwertungsstelle des Auswanderungsfonds für Böhmen und Mähren arbeitet.[8] Diese an die Zentralstelle angegliederte Behörde kontrolliert das enteignete Vermögen tschechischer Jüdinnen und Juden.


Im Sommer 1940 bringt Rosl Leitner eine uneheliche Tochter in Prag zur Welt. Deren Vater ist der aus Graz stammende Allgemeinmediziner Dr. Karl Schenk.[9] Der langjährige Parteigenosse[10] macht nach dem „Anschluss“ Karriere als Polizei-Stabsarzt in Wien.[11] Unterstützt durch ihre Mutter, die das Kind in Prag betreut, kehrt Rosl Leitner ins Berufsleben zurück.[12]


Ihre Dienstzeit in Prag überschneidet sich mit jener von SS-Obersturmführer Gerhard Günnel.[13] Der gebürtige Sachse ist ehemaliger Mitarbeiter der Gestapo in Dresden und des RSHA in Berlin. Er stößt im Frühjahr 1940 zum SD-Leitabschnitt Prag und wird im März 1942 zur Zentralstelle für jüdische Auswanderung kommandiert. Dort ist Günnel für den Bereich „Registrierung, Transport und Abwanderung“ von Jüdinnen und Juden zuständig.[14] Laut eigener Angabe fällt die Beurteilung strittiger Abstammungsnachweise in seine Kompetenz.[15] Im Klartext bedeutet dies, dass Günnel die Entscheidung darüber trifft, ob „Mischlinge“ oder in „Mischehen“ lebende Menschen nach Theresienstadt zurückgestellt oder deportiert werden. Der Auftritt des SS-Manns in einem 1942 gedrehten Propagandafilm über das KZ Theresienstadt ist Zeugnis aus dieser Zeit.[16]


Rosl Leitner und Gerhard Günnel werden ein Paar und heiraten Mitte November 1942. Als Bürge für die Braut fungiert deren Chef Adolf Eichmann, der mit der Eheschließung seine verlässliche Mitarbeiterin verliert.[17] Gegen Kriegsende trennen sich die Wege: Auf der Flucht aus Prag im Mai 1945 wird Gerhard Günnel von den Tschechen verhaftet und 1947 zu zwanzig Jahren schweren Kerkers verurteilt.[18] Rosl Günnel, die bereits früher aus Prag evakuiert wurde, kehrt mit ihrer Tochter zurück nach Wien.[19] Sie lässt sich 1952, während dessen Haft, von ihrem Mann scheiden. Der Hinweis auf dessen Verurteilung als Kriegsverbrecher wird als Scheidungsgrund gestrichen: Im Urteil heißt es lediglich, Gerhard Günnel habe „weder die Möglichkeit noch den Willen“, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen.[20]


Rosl Günnel verheiratet sich nicht wieder. Ihr Ex-Mann wird Ende 1955 vorzeitig entlassen und kehrt nach Deutschland zurück. Er lässt sich in Hermeskeil nieder und arbeitet als kaufmännischer Angestellter bei einem Textilhersteller in Trier. Im Ermittlungsverfahren gegen seinen ehemaligen Vorgesetzten Hans Günther gibt Günnel 1961 zu Protokoll, keine Kenntnis von den Bedingungen in Theresienstadt gehabt zu haben: Berichte oder Beschwerden über Misshandlungen von Deportierten oder Lagerinsassen seien ihm niemals zuhandengekommen.[21]

[1] Friedhof Ober St. Veit, Grab A-225.

[2] Pfarre r. k. Alservorstadtkrankenhaus, Taufbuch 1919, fol. 174. Eltern: August Leitner, Karoline geb. Fröschl.

[3] Pfarre r. k. Breitenfeld, Trauungsbuch, Bd. 21, fol. 30.

[4] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/61538. Lebenslauf.

[5] Ebd. Fragebogen Adolf Eichmann.

[6] Interview Emilie Finnegan. Transkript Peter Kessler.

[7] WStLA, Historische Meldedaten.

[8] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 2, fol. 315–347. Zeugenvernehmung Gerhard Günnel, 25./26.5.1961.

[9] Dr. med. Karl Schenk, Arzt, geb. 23.7.1901, Graz, verst. 15.2.1984, Wien.

[10] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakten, Zl. 23.078.

[11] Lehmanns Wohnungsanzeiger, 1942; Handbuch der Stadt Wien, 1944.

[12] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/61538. Lebenslauf.

[13] Gerhard Günnel, 9.3.1909, Rodewisch im Vogtland, verst. 15.5.1970, Hermeskeil.

[14] LAB, B Rep. 057-01, Nr. 1169. Lebenslauf.

[15] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 2, fol. 315–347. Zeugenvernehmung Gerhard Günnel, 25./26.5.1961.

[16] USHMM, Sign. 2007.207.1. Dreharbeiten in Theresienstadt (1942).

[17] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/61538. Fragebogen.

[18] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 2, fol. 315–347. Zeugenvernehmung Gerhard Günnel, 25./26.5.1961.

[19] Adressbuch von Wien, 1950, 1965.

[20] WStLA, LGfZRS, Zl. 8 Cg 13/52. Urteil, 27.8.1952.

[21] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 2, fol. 315–347. Zeugenvernehmung Gerhard Günnel, 25./26.5.1961 (Abschrift). Das Ermittlungsverfahren gg. Hans Günther u. a., Zl. 4 Js 1018/59, überliefert in Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Sign. 461, 34558–34563.