geb. 27. April 1911, Wien
verst. 28. Oktober 1974, Wien[1]
Richard Hartenberger wird als Sohn eines Webergehilfen geboren. Sein Vater stammt aus Österreichisch-Schlesien, seine Mutter ist Köchin aus Südmähren. Nach der Pflichtschule tritt Hartenberger in eine Steindruckerlehre ein und bleibt bis Jänner 1938 als Umdrucker im ehemaligen Lehrbetrieb. Seine Freizeit verbringt er beim Arbeiter-Schwimm-Verein, dem er als Jugendlicher beitritt und bis zu dessen Auflösung 1934 verbunden bleibt.
Hartenberger ist in den frühen 1930er-Jahren Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und der Freien Gewerkschaft. Gleich nach dem »Anschluss« tritt er in die SS und NSDAP ein. Er kommt so zu einer Anstellung im Zolloberamt, wo die Durchsuchung von Wohnungen flüchtender Jüdinnen und Juden zu seinen Aufgaben gehört. Im Herbst 1938 wird Hartenberger der Flak in Inzersdorf als SS-Wachmann zugeteilt. Gegen Jahresende erfolgt sein Eintritt in den SD und die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien.
Anfangs wird Hartenberger als Wachposten vor dem Haus verwendet. Danach wechselt er in die Abteilung »Befristete Aufenthalte«, die für die Ausweisung ausländischer Staatsbürger:innen zuständig ist. Zunehmend aber wird er als Kurier eingesetzt. In Wien übernimmt er Behördenwege, wie sie etwa zwischen der Zentralstelle und den Finanzämtern im Rahmen der Prüfung steuerlicher Unbedenklichkeitszeugnisse anfallen. Nachdem er 1941 nach Berlin kommandiert wird, leistet Hartenberger Kurierdienste für die KZ Theresienstadt und Auschwitz. Im Klartext bedeutet dies die Zustellung fingierter Postkarten, die man Deportierte kurz vor ihrer Ermordung schreiben lässt, um über die tatsächlichen Vorgänge zu täuschen.
Hartenberger heiratet 1939. Seine Braut Felizitas Janitschek ist Damenfriseurin. Kurz vor der Geburt eines Sohnes Ende 1941 bezieht das Paar eine »arisierte« Wohnung in der heutigen Otto-Bauer-Gasse 4. Diese gehört einem pensionierten Tierarzt und wird zuletzt als jüdische Sammelwohnung benutzt. Nach der Deportation der letzten dort Einquartierten steht die Wohnung frei. Den notwendigen Mietschein erhält er über Intervention seines Chefs Brunner I: Dank Hartenbergers »vorbildlichen« Einsatzes habe man die Zahl der nach Łódź Deportierten auf 5.000 Personen steigern können.
1943/1944 ist Hartenberger stellvertretender Lagerleiter in Wulkow bei Trebnitz, einer Außenstelle des KZ Theresienstadt. In diese Zeit fällt seine Beförderung zum Untersturmführer der Waffen-SS. Danach wird er der Dienststelle Budapest als Kurier zugeteilt. Im Frühjahr 1945 befindet er sich wieder in Berlin.
Hartenberger wird nach Kriegsende im amerikanischen Camp Marcus W. Orr (genannt Glasenbach) interniert, später an das Landesgericht in Wien überstellt und von dort Ende 1947 freigelassen. 1950 erkennt das Volksgericht ihn des Verbrechens der Quälereien und Misshandlungen sowie der Verletzung der Menschlichkeit und der Menschenwürde für schuldig. Die Strafe beträgt neun Monate schweren Kerkers, die jedoch durch die Untersuchungshaft als verbüßt gilt. Aufgrund der Amnestie von 1957 wird die Verurteilung getilgt, die noch nicht bezahlten Kosten des Strafverfahrens und Vollzuges werden nachgelassen. Die »arisierte« Wohnung im 6. Bezirk wird Hartenberger bis an sein Lebensende behalten.
1961, nachdem man ihn selbst nicht erneut belangen kann, gibt Hartenberger im Verfahren gegen Franz Novak freiherzig zu Protokoll, dass die systematische Ermordung der jüdischen Bevölkerung unter den Kolleg:innen »kein Geheimnis« gewesen sei. Allen, von den Schreibkräften bis nach oben, sei dies bekannt gewesen. Auch 1967, im Verfahren gegen Herbert Mannel und andere leitende Angehörige des RSHA, bekräftigt er seine Aussage: Die Behauptung seiner ehemaligen Vorgesetzten, keine Kenntnis von der »Endlösung« gehabt zu haben, bezeichnet Hartenberger als geradezu »absurd«.
Richard Hartenberger wird in Wien als Sohn eines Webergehilfen geboren.[2] Sein Vater stammt ursprünglich aus Schlesisch Hartau/Slezská Harta, seine Mutter ist Köchin aus Südmähren.[3] Nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule tritt Hartenberger in eine vierjährige Steindruckerlehre in Wien, 5., Margareten ein, die ein Jahr an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt beinhaltet.[4] Er bleibt bis Jänner 1938 als Umdrucker im ehemaligen Lehrbetrieb.[5] Seine Freizeit verbringt Hartenberger beim Arbeiter-Schwimm-Verein, dem er 1924 als Jugendlicher beitritt und bis zu dessen Auflösung 1934 als Sportschwimmer, Wasserballer und Rettungsschwimmer verbunden bleibt.[6] Mit privatem Schwimmunterricht bessert er sich seinen Verdienst als Hilfsarbeiter auf.[7]
Hartenberger ist in den frühen 1930er-Jahren Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und der Freien Gewerkschaft. Gleich nach dem „Anschluss“ tritt er in die SS und NSDAP ein.[8] Er kommt so zu einer Anstellung im Zolloberamt, wo die Durchsuchung von Wohnungen flüchtender Jüdinnen und Juden sowie die Devisenkontrolle zu seinen Aufgaben gehören. Im September 1938 wird Hartenberger der Flak in Inzersdorf als SS-Wachmann zugeteilt.[9] Gegen Jahresende erfolgt sein Eintritt in den SD und die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien.
Anfangs wird Hartenberger als Wachposten vor dem Haus verwendet.[10] Danach wechselt er in die Abteilung „Befristete Aufenthalte“, die für die Ausweisung ausländischer Staatsbürger:innen zuständig ist.[11] Zeugen werden später bestätigen, er habe seinen Dienst auf „sehr ambitionierte Weise“ versehen und mit Demütigungen seiner jüdischen Opfer nicht gespart.[12] Zunehmend aber wird Hartenberger als Kurier eingesetzt. In Wien übernimmt er Behördenwege, wie sie etwa zwischen der Zentralstelle und den Finanzämtern im Rahmen der Prüfung steuerlicher Unbedenklichkeitszeugnisse anfallen.[13] Nachdem er Mitte 1941 nach Berlin kommandiert wird, leistet Hartenberger Kurierdienste für die KZ Theresienstadt und Auschwitz. Im Klartext bedeutet dies die Zustellung fingierter Postkarten, die man Deportierte kurz vor ihrer Ermordung schreiben lässt, um über die tatsächlichen Vorgänge zu täuschen.[14]
Hartenberger heiratet im Juni 1939.[15] Seine Braut Felizitas Janitschek[16] ist Damenfriseurin und stammt wie er aus dem 5. Bezirk.[17] Sie wird vom Rasse- und Siedlungshauptamt-SS als „zuverlässig nationalsozialistisch“ eingestuft.[18] Kurz vor der Geburt eines Sohnes Ende 1941 bezieht das Paar eine „arisierte“ Wohnung in Wien, 6., Mariahilf, Kasernengasse 4 (heute: Otto-Bauer-Gasse). Diese gehört einem pensionierten Tierarzt und dessen Frau[19] und wird zuletzt als jüdische Sammelwohnung benutzt.[20] Nach der Deportation der letzten dort Einquartierten steht die Wohnung frei. Den notwendigen Mietschein erhält er über Intervention seines Chefs Brunner I: Dank Hartenbergers „vorbildlichen“ Einsatzes habe man die Zahl der nach Łódź Deportierten auf 5.000 Personen steigern können.[21] Die Wohnung richtet Hartenberger mit eleganten Möbelstücken aus enteignetem jüdischem Besitz ein, die er von seinen Dienstreisen nach Hause bringt.[22]
1943/44 ist Hartenberger stellvertretender Lagerleiter in Wulkow bei Trebnitz, einer Außenstelle des KZ Theresienstadt. In diese Zeit fallen seine Beförderung zum Untersturmführer der Waffen-SS[23] und die Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern II. Klasse.[24] Danach wird er der Dienststelle Budapest als Kurier zugeteilt. Im Frühjahr 1945 befindet er sich wieder in Berlin.[25]
[1] Friedhof Hernals, Grab C-130.
[2] Pfarre r. k. St. Florian (Matzleinsdorf), Taufbuch, Bd. 73a, fol. 98.
[3] Pfarre r. k. St. Stephan, Trauungsbuch, Bd. 96, fol. 163. Eltern: Richard Hartenberger, Anna geb. Chlup.
[4] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4969/47. Vernehmung des Beschuldigten Richard Hartenberger.
[5] BArch Berlin, RSHA, Sign. R58/11055, fol. 33. Lebenslauf, 9.7.1940.
[6] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/66993, fol. 2241, 2245. Lebenslauf.
[7] BArch Berlin, RSHA, Sign. R58/11055, fol. 33. Lebenslauf, 9.7.1940.
[8] Ebd., fol. 36. Beurteilung, 12.7.1940.
[9] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/66993, fol. 2241, 2245. Lebenslauf.
[10] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 8896/61, Bd 1/1. Zeugenvernehmung Richard Hartenberger, 21.5.1963.
[11] BArch Berlin, RSHA, Sign. R58/11055, fol. 36. Beurteilung, 12.7.1940.
[12] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4969/47, fol. 175–177. Urteil, 2.3.1950.
[13] Ebd., fol. 30–31. Vernehmung, 1.8.1947.
[14] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 7, Bd. 15, fol. 321–327. Zeugenvernehmung Richard Hartenberger. WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 8953/66, Teil 1, Bd. II, fol. 397–413. Niederschrift Richard Hartenberger, 2.10.1967.
[15] Pfarre r. k. St. Florian (Matzleinsdorf), Taufbuch, Bd. 73a, fol. 98.
[16] Felizitas Hartenberger, geb. Janitschek, 29.6.1918, Wien, best. 18.2.1997.
[17] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/66993, fol. 2312–2315. R. u. S.-Fragebogen.
[18] Ebd., fol. 2990–2991. Fragebogen.
[19] Julius Szücs, geb. 5.5.1867, verst. unbek.; Friedrike Szücs, geb. Reimann, 25.3.1877, Wien, dept. aus Sopron. YVA, Central Database of Shoah Victims Names (abgerufen 14.9.2022).
[20] IKG Archiv, Hausliste.
[21] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 86.359. Abschrift Gauakt.
[22] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4969/47. Meldung, 28.3.1947.
[23] WStLA, MA 119, A42, NS-Registrierung, Zl. 8763/VI. Meldeblatt.
[24] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/529136. Kartei.
[25] WStLA, 2.3.4 LGfSS, A1-Vg Vr Strafakten, Zl 2729/63, Teil 4, Bd 8, fol. 383–387. Zeugenvernehmung Richard Hartenberger.
[26] WStLA, MA 119, A42, NS-Registrierung, Zl. 8763/VI.
[27] Vgl. Eva Holpfer, Die justizielle Verfolgung der Mitarbeiter der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ nach 1945, in: Dieter J. Hecht/Michaela Raggam-Blesch/Heidemarie Uhl (Hg.), Letzte Orte: Die Wiener Sammellager und die Deportationen 1941/42, Wien 2019, 187–206.
[28] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4969/47, fol. 175–177. Urteil, 2.3.1950.
[29] Ebd., fol. 171a. Aktenvermerk, 2.3.1950.
[30] Ebd., fol. 183. Beschluss, 2.10.1957.
[31] WStLA, Historische Meldedaten.
[32] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 3, Bd 5, fol. 129–141. Zeugenvernehmung Richard Hartenberger.
[33] LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 8953/66, Teil 1, Bd. I, fol. 365–372. Zeugenvernehmung Richard Hartenberger, 6.2.1967.