Täter & Täterinnen
Biografien

Täter & Täterinnen
Biografien

Frau mit circa kinnlangen, dunklen, vermutlich braunen, Locken, Sommersprossen, gemustertem Kleid mit angerüschtem Kragen und Knöpfen vorne. Blickt zur Kamera. © Wiener Stadt- und Landesarchiv
Anna Röder © Wiener Stadt- und Landesarchiv

Anna Röder

verh. Brunner

geb. 9. September 1921, Wien
verst. 28. Oktober 1992, Wien[1]


Anna Röder, genannt Anni, wächst als Einzelkind in einer Arbeiterfamilie in Wien-Rudolfsheim auf. Der Vater ist von Beruf Anstreicher; die aus dem ungarisch-burgenländischem Grenzgebiet stammende Mutter arbeitet als Hausgehilfin. 1934 tritt Anna Röder in das Österreichische Jungvolk, die Jugendorganisation der Vaterländischen Front, ein. Nach der Pflichtschule absolviert sie eine zweijährige Handelsschule in Wien. 1938, noch vor ihrem 17. Geburtstag, wird sie als Stenotypistin bei der Gebietsführung der Hitlerjugend Wien aufgenommen. 1939 heuert sie in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien an und wird Alois Brunner als Stenotypistin zugeteilt.

 

Zu ihrem Chef entwickelt sich bald ein intimes Verhältnis. Als Brunners Geliebte gewinnt die junge Frau an Selbstbewusstsein und Einfluss. Auch Annas Eltern profitieren von der Liaison. 1941 schanzt Brunner I seinen Schwiegereltern in spe eine größere Wohnung zu. Der Vormieter, ein pensionierter Polizeiinspektor und dessen Gattin, befinden sich in Gestapo-Haft.

 

Anna und Alois Brunner heiraten im September 1942 und beziehen eine Villa im Währinger Cottage, Gustav Tschermak-Gasse 14. Nachdem sie mit der Hochzeit vorübergehend aus dem Dienst ausgetreten ist, kehrt Anna Brunner 1943 zur Zentralstelle zurück. In den Amtsräumen in der Castellezgasse ist sie, nach Abschluss der großen Deportationen, mit der Aufarbeitung der »Auswanderungskartei« beschäftigt. Diese dokumentiert die Auslöschung der jüdischen Gemeinde Wiens, sei es durch Vertreibung oder Ermordung. 1944 wird Anna Brunner in die Gestapo-Leitstelle Wien am Morzinplatz versetzt.

 

Kurz vor Kriegsende 1945 flüchtet Anna Brunner. Im Herbst kehrt sie, hochschwanger, zurück nach Wien und bringt gegen ihren Gatten eine Klage auf Ehescheidung ein. Im Versuch, sich selbst zu retten, behauptet Anna Brunner, die Ehe sei aufgrund der politischen Einstellung ihres Mannes zerrüttet: Dessen Beschäftigung in der Zentralstelle habe ihr Leben verleidet. Ihren eigenen Werdegang verschweigt sie. Kurz nach der Geburt ihrer Tochter im Dezember 1945 kommt Anna Brunner über ein Jahr in Untersuchungshaft. Im darauffolgenden Prozess gibt sie an, in der Zentralstelle lediglich den Posteinlauf bearbeitet und das Telefon bedient zu haben. Auch in der Gestapo-Leitstelle habe sie keine Misshandlungen von Häftlingen wahrgenommen.

 

Das Volksgericht spricht Anna Brunner 1948 frei. Sie bezieht ab Jänner 1950 eine Rente für Angehörige noch nicht heimgekehrter Kriegsteilnehmer und eine Waisenrente für ihr Kind. Sie wohnt die erste Zeit bei den Eltern und übersiedelt schließlich 1954 zurück nach Währing, unweit jener »arisierten« Villa, in der sie die ersten glücklichen Ehejahre verbracht hatte. Die Fahndung nach ihrem Gatten unterstützt sie nicht.

 

1956 beantragt Anna Brunner die Rückstellung von Einrichtungsgegenständen, die sie bei ihrer Flucht aus Wien zurücklassen musste. Sie behauptet, dass diese – ebenso wie das gut gefüllte Sparbuch, das die Polizei 1945 sicherstellte – aus ihrer großen Mitgift und eigenen Ersparnissen stammten.

Anna Röder, genannt Anni, wächst als Einzelkind in einer Arbeiterfamilie in Wien-Rudolfsheim auf.[2] Der Vater ist von Beruf Anstreicher; die aus dem ungarisch-burgenländischem Grenzgebiet stammende Mutter arbeitet als Hausgehilfin.[3] 1934 tritt Anna Röder in das Österreichische Jungvolk, die Jugendorganisation der Vaterländischen Front, ein.[4] Ein Jahr später wird sie als eine von 140 Jugendlichen im Rahmen einer Firmungsaktion des Alt-Wiener-Bundes von Kardinal Innitzer gefirmt.[5]


Nach der Pflichtschule absolviert Anna Röder eine zweijährige Handelsschule in Wien. 1938, noch vor ihrem 17. Geburtstag, wird sie als Stenotypistin bei der Gebietsführung der Hitlerjugend Wien aufgenommen.[6] 1939 heuert sie in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien an und wird Alois Brunner als Stenotypistin zugeteilt.[7]


Zu ihrem Chef entwickelt sich bald ein intimes Verhältnis. Als Brunners Geliebte gewinnt die junge Frau an Selbstbewusstsein und Einfluss.[8] Auch Annas Eltern profitieren von der Liaison. 1941 schanzt Brunner I seinen Schwiegereltern in spe eine größere Wohnung zu.[9] Der Vormieter, ein pensionierter Polizeiinspektor und dessen Gattin, befinden sich in Gestapo-Haft.[10]


Anna und Alois Brunner heiraten im September 1942[11] und beziehen eine Villa im Währinger Cottage, Gustav Tschermak-Gasse 14. Nachdem sie mit der Hochzeit vorübergehend aus dem Dienst ausgetreten ist, kehrt Anna Brunner 1943 zur Zentralstelle zurück. In den Amtsräumen in der Castellezgasse ist sie, nach Abschluss der großen Deportationen, mit der Aufarbeitung der „Auswanderungskartei“ beschäftigt. Diese dokumentiert die Auslöschung der jüdischen Gemeinde Wiens, sei es durch Vertreibung oder Ermordung. 1944 wird Anna Brunner in die Gestapo-Leitstelle Wien am Morzinplatz versetzt. Hier arbeitet sie bis 1945 im Referat IV A 1, das für die Bekämpfung des kommunistischen Widerstands zuständig ist.[12] Zu ihren Aufgaben gehört die Schriftführung bei Vernehmungen.[13]


Kurz vor Kriegsende 1945 flüchtet Anna Brunner. Im Herbst kehrt sie, hochschwanger, zurück nach Wien und bringt gegen ihren Gatten eine Klage auf Ehescheidung ein.[14] Im Versuch, sich selbst zu retten, behauptet Anna Brunner, die Ehe sei aufgrund der politischen Einstellung ihres Mannes zerrüttet: Dessen Beschäftigung in der Zentralstelle habe ihr Leben verleidet. Ihren eigenen Werdegang verschweigt sie.


Kurz nach der Geburt ihrer Tochter im Dezember 1945 kommt Anna Brunner über ein Jahr in Untersuchungshaft. Im darauffolgenden Prozess gibt sie an, in der Zentralstelle lediglich den Posteinlauf bearbeitet und das Telefon bedient zu haben.[15] Auch in der Gestapo-Leitstelle habe sie keine Misshandlungen von Häftlingen wahrgenommen.[16]


Das Volksgericht spricht Anna Brunner 1948 frei.[17] Sie bezieht ab Jänner 1950 eine Rente für Angehörige noch nicht heimgekehrter Kriegsteilnehmer und eine Waisenrente für ihr Kind.[18] Sie wohnt die erste Zeit bei den Eltern und übersiedelt schließlich 1954 zurück nach Währing, unweit jener „arisierten“ Villa, in der sie die ersten glücklichen Ehejahre verbracht hatte.[19] Die Fahndung nach ihrem Gatten unterstützt sie nicht.[20]


1956 beantragt Anna Brunner die Rückstellung von Einrichtungsgegenständen, die sie bei ihrer Flucht aus Wien zurücklassen musste.[21] Sie behauptet, dass diese – ebenso wie das gut gefüllte Sparbuch, das die Polizei 1945 sicherstellte[22] – aus ihrer großen Mitgift und eigenen Ersparnissen stammten.

[1] Friedhof Baumgarten, Grab K1-280.

[2] Pfarre r. k. Döbling, Taufbuch, Bd. 33, fol. 397. Eltern: Karl Röder, Anna geb. Neuberger.

[3] Pfarre r. k. Reindorf, Trauungsbuch, Bd. 49, fol. 80.

[4] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 5505/46, fol. 59–61. Niederschrift Anna Brunner, 23.5.1946.

[5] Pfarre r. k. Döbling, Taufbuch, Bd 33, fol. 397.

[6] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 5505/46, fol. 57. Niederschrift Anna Brunner, 14.5.1946.

[7] Ebd., fol. 113–120. Hauptverhandlung, 30.3.1948.

[8] Ebd., fol. 94–95. Anklageschrift, 7.1.1947.

[9] Adresse: Wien 15., Heinickegasse 6.

[10] Adolf Makovec, Polizei-Rayonsinspektor, geb. 13.1.1879, Leoben, best. 5.2.1946; Maria Makovec, geb. 26.12.1891, Eggelsberg, best. 16.2.1942. Friedhof Südwest, Grab 6-2-24. Das Ehepaar wird 1940 wegen Betätigung im legitimistischen Widerstand verhaftet. Gestapo Tagesrapport Nr. 11, 25./26.4.1940. DÖW, Gestapo-Opfer.

[11] WStLA, Standesamt Währing, Familienbuch, Zl. 469/42.

[12] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 5505/46, fol. 59–61. Niederschrift Anna Brunner, 23.5.1946. Ebd., fol. 113–120, Hauptverhandlung, 30.3.1948.

[13] Ebd., fol. 86f. Zeugenvernehmung Brunhilde Freitag, 23.9.1946.

[14] WStLA, LGfZRS, A24, Zl. 4 Cg 105/45. Aufgebote, in: Amtsblatt zur Wiener Zeitung, 17.10.1945, 4.

[15] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 5505/46, fol. 133–137. Urteil, 17.4.1948.

[16] Ebd., fol. 59–61. Niederschrift Anna Brunner, 23.5.1946.

[17] Ebd., fol. 133–137. Urteil, 17.4.1948.

[18] Georg M. Hafner/Esther Schapira, Die Akte Alois Brunner, Frankfurt am Main 2002, 248.

[19] WStLA, Historische Meldedaten.

[20] Staatsanwaltschaft Wien, Zl. 15 St 109560/99, Teil 8, fol. 40. Polizeidirektion Wien Bericht, 17.2.1956.

[21] Staatsanwaltschaft Wien, Zl. 15 St 109560/99, Teil 8, fol. 41–42. Polizeidirektion Wien Bericht, 7.4.1956.

[22] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 5505/46, fol. 78f. Vernehmung der Beschuldigten Anna Brunner, 29.8.1946.