Täter & Täterinnen
Biografien

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Biografien

Portrait Brunner Alois  © BArch Berlin / R 9361-III/23026
© BArch Berlin / R 9361-III/23026
Brunner Alois - Ganzkörperfaufnahme in Uniform © Yad Vashem / 3909/120
© Yad Vashem / 3909/120
Brunner Alois © BArch Berlin / R 9361-III/23026
© BArch Berlin / R 9361-III/23026

Alois Brunner

(genannt »Brunner I«),
SS-Hauptsturmführer

geb. 8. April 1912, Rohrbrunn/Nádkút 
verst. nach 2001, Damaskus


Alois Brunner stammt aus einer Bauernfamilie aus dem heutigen Südburgenland. Seine Heimatgemeinde gehört bis 1921 zu Ungarn. Nach der ungarischsprachigen Volksschule absolviert Brunner die Bürgerschule in Fürstenfeld in der Steiermark. 1927 tritt er in eine kaufmännische Lehre ein und bleibt nach deren Abschluss als Verkäufer und Schaufensterdekorateur im Lehrbetrieb.

 

1931 wird Brunner Mitglied der NSDAP und der SA. Nachdem er seine Stelle wegen politischer Betätigung verliert, geht Brunner nach Graz, wo er eine private »Kriminalschule« besucht. Danach arbeitet er kurz für einen Darlehensverband und pachtet schließlich in Hartberg ein Kaffeerestaurant. 1933, nach dem Verbot der NSDAP, schließt sich Brunner der Österreichischen Legion in Deutschland an, jener paramilitärischen Einheit, die den »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich vorbereitet. 1935 nimmt er die deutsche Staatsbürgerschaft an. Im Sommer 1938 kehrt Brunner im Rang eines Stabsobertruppführers in die Heimat zurück.

 

Spätestens ab Eintritt in die SS und den SD macht der junge Burgenländer in Wien steile Karriere. Im November 1938 tritt er seinen Dienst in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung als persönlicher Sekretär Adolf Eichmanns an. Der ehemalige Legionär genießt Eichmanns Vertrauen. Ab Anfang 1939 wohnt Brunner in der Dienststelle im ehemaligen Palais Rothschild. Im November 1940 wird er mit deren Leitung betraut. Er trägt hier den Beinamen »Brunner I«, zur Abgrenzung gegenüber seinem Kollegen Anton Brunner (»Brunner II«). Gemeinsam sind Brunner I und Brunner II hauptverantwortlich für die Deportation von über 49.000 Jüdinnen und Juden aus Österreich.

 

Die Zentralstelle ist auch für Alois Brunners Privatleben bestimmend. Im Herbst 1942 heiratet er seine Sekretärin Anna Röder. Er bezieht mit ihr eine »arisierte« Villa im Währinger Cottageviertel, deren letzte jüdische Bewohnerin er nach Łódź deportieren lässt.

 

Brunner baut das in Wien entwickelte Modell der systematischen Deportation an weiteren Schauplätzen aus. Er ist ab Ende 1942 am Eichmann-Referat im RSHA in Berlin eingesetzt, wo er die Deportationen nach Wiener Vorbild systematisiert. Im Frühjahr 1943 ist Brunner für die Vernichtung der jüdischen Gemeinde in Thessaloniki verantwortlich. Ab Juli 1943 ist er im Durchgangslager Drancy nahe Paris stationiert, von wo aus man 24.000 Personen in die Vernichtungslager verschickt. Brunners letzter Einsatz im Herbst 1944 führt ihn in das KZ Sered in der Slowakei. 12.000 Menschen werden von hier weiter nach Auschwitz deportiert.

 

Im April 1945, kurz vor Kriegsende, flüchtet Brunner nach Prag. Unter falschem Namen wird er von den Amerikanern kurz interniert, bleibt aber unentdeckt. Ab 1947 lebt er über viele Jahre unter dem Pseudonym Alois Schmaldienst in Essen. Ein gegen ihn eingeleitetes Volksgerichtsverfahren wird wegen Unauffindbarkeit abgebrochen.

 

Nachdem er vom Militärgericht in Marseille in Abwesenheit zum Tode verurteilt wird, setzt sich Brunner 1954 über Rom nach Syrien ab. Er lebt bis zu seinem Lebensende in Damaskus, wo er unter dem Decknamen Dr. Georg Fischer eine kleine Im- und Exportfirma betreibt und enge Kontakte zum syrischen Geheimdienst unterhält. 1961 und 1980 ist er Ziel zweier Briefbombenattentate, die ihn ein Auge und die linke Hand kosten. Brunner stirbt angeblich im Dezember 2010, verlässliche Daten zu seinem Tod liegen jedoch nicht vor. Mitte 2022 setzt die Kölner Justiz den Haftbefehl aus, die Fahndung und das Verfahren werden eingestellt.

Alois Brunner stammt aus einer Bauernfamilie aus dem heutigen Südburgenland.[1] Seine Heimatgemeinde Rohrbrunn/Nádkút gehört bis 1921 zu Ungarn. Nach der ungarischsprachigen Volksschule absolviert Brunner die dreijährige Bürgerschule in Fürstenfeld in der Steiermark. 1927 tritt er in eine kaufmännische Lehre ein und bleibt nach deren Abschluss als Verkäufer und Schaufensterdekorateur im Lehrbetrieb.[2]


1931 wird Brunner Mitglied der NSDAP, Ortsgruppe Fürstenfeld, und der SA. Nachdem er seine Stelle wegen politischer Betätigung verliert, geht Brunner nach Graz, wo er eine private „Kriminalschule“ besucht. Danach arbeitet er kurz für einen Darlehensverband und pachtet schließlich in Hartberg ein Kaffeerestaurant, das zu einem Treffpunkt von Gesinnungsgenossen wird.[3] Im Herbst 1933, nach dem Verbot der NSDAP, schließt sich Brunner der Österreichischen Legion in Deutschland an, jener paramilitärischen Einheit, die den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich vorbereitet.[4] 1935 nimmt er die deutsche Staatsbürgerschaft an.[5]


Im Sommer 1938 kehrt Brunner im Rang eines Stabsobertruppführers in die Heimat zurück. Er arbeitet vorübergehend beim Viehwirtschaftsverband Donauland in Eisenstadt,[6] übersiedelt aber bald nach Wien, wo er eine von der Deutschen Arbeiterfront bereitgestellte[7] Wohnung in Wien, 6., Mariahilf, Dürergasse 13 bezieht.


Spätestens ab Eintritt in die SS und den SD macht der junge Burgenländer eine steile Karriere. Im November 1938 tritt er seinen Dienst in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung als persönlicher Sekretär Adolf Eichmanns an. Der ehemalige Legionär genießt Eichmanns Vertrauen. Die SS-Kollegen jedoch beäugen seinen Aufstieg missgünstig.[8] Ab Anfang 1939 wohnt Brunner in der Dienststelle im ehemaligen Palais Rothschild.[9] Im November 1940 wird er mit deren Leitung betraut. Er trägt hier den Beinamen „Brunner I“, zur Abgrenzung gegenüber seinem Kollegen Anton Brunner („Brunner II“). Gemeinsam sind Brunner I und Brunner II hauptverantwortlich für die Deportation von über 49.000 Juden und Jüdinnen aus Österreich.


Die Zentralstelle ist auch für Alois Brunners Privatleben bestimmend. Im Herbst 1942 heiratet er seine Sekretärin Anna Röder.[10] Er bezieht mit ihr eine „arisierte“ Villa im Währinger Cottageviertel, deren letzte jüdische Bewohnerin er nach Łódź deportieren lässt.[11]

Brunner baut das in Wien entwickelte Modell der systematischen Deportation an weiteren Schauplätzen aus. Er ist ab Ende 1942 am Eichmann-Referat im RSHA in Berlin eingesetzt, wo er die Deportationen nach Wiener Vorbild systematisiert. Im Frühjahr 1943 ist Brunner für die Vernichtung der jüdischen Gemeinde in Thessaloniki verantwortlich. Ab Juli 1943 ist er im Durchgangslager Drancy nahe Paris stationiert, von wo aus man 24.000 Personen in die Vernichtungslager verschickt. Brunners letzter Einsatz im Herbst 1944 führt ihn in das KZ Sered in der Slowakei. 12.000 Menschen werden von hier weiter nach Auschwitz deportiert.[12]


Im April 1945, kurz vor Kriegsende, flüchtet Brunner nach Prag. Unter falschem Namen wird er von den Amerikanern kurz interniert, bleibt aber unentdeckt. Ab 1947 lebt er über viele Jahre unter dem Pseudonym Alois Schmaldienst in Essen. Ein gegen ihn eingeleitetes Volksgerichtsverfahren wird wegen Unauffindbarkeit abgebrochen.[13]


Nachdem er vom Militärgericht in Marseille in Abwesenheit zum Tode verurteilt wird,[14] setzt sich Brunner 1954 über Rom nach Syrien ab. Er lebt bis zu seinem Lebensende in Damaskus, wo er unter dem Decknamen Dr. Georg Fischer eine kleine Im- und Exportfirma betreibt und enge Kontakte zum syrischen Geheimdienst unterhält. 1961 und 1980 ist er Ziel zweier Briefbombenattentate, die ihn ein Auge und die linke Hand kosten. Brunner stirbt angeblich im Dezember 2010,[15] verlässliche Daten zu seinem Tod liegen jedoch nicht vor. Mitte 2022, sprich: 110 Jahre nach seiner Geburt, setzt die Kölner Justiz den Haftbefehl aus, die Fahndung und das Verfahren werden eingestellt.[16]

[1] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/23026, fol. 2636–2640. SS-Ahnentafel. Eltern: Josef Brunner, Anna geb. Kruiß.

[2] Ebd., fol. 2526. Lebenslauf.

[3] Georg M. Hafner/Esther Schapira, Die Akte Alois Brunner, Reinbeck bei Hamburg 2002, 35.

[4] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361- III/23026, fol. 2524. R. u. S.-Fragebogen.

[5] WStLA, Standesamt Währing, Familienbuch, Zl. 469/42.

[6] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361- III/23026. Lebenslauf.

[7] Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes, 18. Heft (1953).

[8]  Siehe z. B.: WStLA, LGfSS, A11, Vr 3967/61, Bd. 1, fol. 33. Niederschrift Gertraud Plattensteiner, 25.10.1946. Ebd., Bd. 2, fol. 203c. [Aussage Alfred Slawik]. 

[9] WStLA, Historische Meldedaten.

[10]  WStLA, Standesamt Währing, Familienbuch, Zl. 469/42. Anna Brunner, geb. Röder, 9.9.1921, Wien, verst. 28.10.1992.

[11] Berta Weiss, geb. Löwenstein, 24.10.1864, Wien, dept. 28.10.1941, Ghetto Lodz. DÖW, Opferdatenbank.

[12]  Siehe: Markus Brosch, Täter – die Mitarbeiter der Wiener „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, in: Dieter J. Hecht/Michaela Raggam-Blesch/ Heidemarie Uhl (Hg.), Letzte Orte: Die Wiener Sammellager und die Deportationen 1941/42, Wien 2019, 137–149.

[13] Siehe: Eva Holpfer, Die justizielle Verfolgung der Mitarbeiter der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ nach 1945, in: Hecht et al., Letzte Orte, 2019.

[14] Staatsanwaltschaft Wien, Zl. 15 St 109560/99, Teil 7, unfol. Jugement, 1.2.1954.

[15] Grabstätte Al Yarmouk New Cemetery. www.findagrave.com (abgerufen 8.12.2022).

[16] ORF, 15.7.2022, https://burgenland.orf.at/stories/3165054/ (abgerufen 9.9.2022).