geb. 10. Juni 1916, Wien
verst. per 31. Dezember 1945 (Todeserklärung 1955)
Friedrich, genannt Fritz, Martin wird in Wien geboren und wächst in Klosterneuburg auf. Der Vater ist Gendarmerie-Wachtmeister, die Mutter Köchin. Nach der Volks- und Hauptschule absolviert Martin eine Autoschlosserlehre, die er 1934 als Geselle abschließt. Nach längerer Arbeitslosigkeit tritt er Ende 1935 ins Bundesheer ein.
Martin rüstet im April 1938 infolge des »Anschlusses« im Rang eines Pioniers ab. Etwa zeitgleich tritt er als SS-Unterscharführer in den SD ein. Im Jänner 1939 folgt Martins Aufnahme in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung. Er ist dort für den Innendienst abgestellt und findet in der Registratur Verwendung. Arbeitsinhalt ist die lückenlose Erfassung der jüdischen Bevölkerung als Grundlage für deren Vertreibung und spätere Vernichtung. Nach rund zwei Dienstjahren in Wien wird Martin um 1941 zum RSHA in Berlin versetzt. Ab diesem Zeitpunkt ist er für die Führung einer gesonderten Registratur für geheime Schutzhaft- und Deportationssachen verantwortlich.
Im Juni 1943 heiratet Martin. Seine Braut Helga Preuß stammt aus Berlin-Prenzlauer Berg. Zum Zeitpunkt des Kennenlernens arbeitet die junge Frau als Stenotypistin bei der Deutscherschmalfilm-Vertriebsgesellschaft. Später ist die Rede von Helga Martin als Stenotypistin von Adolf Eichmann. Die Eheleute arbeiten vermutlich nicht nur gemeinsam in der Dienststelle in der Kurfürstenstraße. Sie leben auch dort, nachdem ihre Wohnung Ende 1943 bei einem Großangriff auf Berlin komplett zerstört wird.
Martin ist von September 1943 bis Kriegsende der engste Mitarbeiter von Franz Novak, dem Sachbearbeiter für Transport- und Fahrplanangelegenheiten im Referat IV B 4. Nach Novaks Kommandierung nach Ungarn leitet Martin eigenständig die technische Durchführung der Deportationen. Im Mai 1944 nehmen beide gemeinsam an einer Konferenz in Wien teil, bei der man Fahrtzeiten und -routen für die Deportation ungarischer Jüdinnen und Juden abstimmt.
Martin gilt ab dem 16. April 1945 als verschollen. Laut Aussagen ehemaliger Kolleg:innen soll er zu Kriegsende Selbstmord durch Gift verübt haben. 1955 wird er vom Amtsgericht Schöneberg für tot erklärt. Die Ermittlungen gegen Martin werden 1966 vorläufig eingestellt. Als Leiter der Geheimregistratur sei Martin zwar mit Deportationen beschäftigt gewesen, jedoch könne der subjektive Tatbestand nicht nachgewiesen werden, so die Begründung.
Als Beweis für Martins Beteiligung am Massenmord berichtet Jahre später eine Kollegin von einer Begebenheit, die im RSHA Anlass zum Eklat gegeben habe: Nach einem Tötungseinsatz sei ein Bagger an eine Leihfirma zurückgegangen, ohne vorher gereinigt worden zu sein. Am Fahrzeug klebten Leichenteile und Haare ermordeter Jüdinnen und Juden. Martins Empörung darüber habe sich nicht auf den Umstand der Tötung bezogen, sondern auf die Nachlässigkeit der Kollegen, nicht für die Reinigung des Baggers gesorgt zu haben.
Martin rüstet im April 1938 infolge des „Anschlusses“ im Rang eines Pioniers ab.[3] Etwa zeitgleich tritt er als SS-Unterscharführer in den SD ein. Als Bürge für seine Eignung dient Karl Rahm, Martins Kamerad aus der NSDAP-Ortsgruppe Klosterneuburg.[4] Im Jänner 1939 folgt Martins Aufnahme in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung.[5] Er ist dort für den Innendienst abgestellt[6] und findet in der Registratur Verwendung.[7] Arbeitsinhalt ist die lückenlose Erfassung der jüdischen Bevölkerung als Grundlage für deren Vertreibung und spätere Vernichtung. Nach rund zwei Dienstjahren in Wien wird Martin um 1941 zum RSHA in Berlin versetzt. Ab diesem Zeitpunkt ist er für die Führung einer gesonderten Registratur für geheime Schutzhaft- und Deportationssachen verantwortlich.[8]
Im Juni 1943 heiratet Martin.[9] Seine Braut Helga Preuß[10] stammt aus Berlin-Prenzlauer Berg. Ihr Vater ist Architekt und Parteigenosse. Zum Zeitpunkt des Kennenlernens arbeitet die junge Frau als Stenotypistin bei der Deutscherschmalfilm-Vertriebsgesellschaft.[11] Später ist die Rede von Helga Martin als Stenotypistin von Adolf Eichmann.[12] Die Eheleute arbeiten vermutlich nicht nur gemeinsam in der Dienststelle in der Kurfürstenstraße. Sie leben auch dort, nachdem ihre Wohnung Ende 1943 bei einem Großangriff auf Berlin, bei dem auch Helga Martins Mutter zu Tode kommt, komplett zerstört wird.[13]
Martin ist von September 1943 bis Kriegsende der engste Mitarbeiter von Franz Novak, dem Sachbearbeiter für Transport- und Fahrplanangelegenheiten im Referat IV B 4. Nach Novaks Kommandierung nach Ungarn leitet Martin eigenständig die technische Durchführung der Deportationen. Im Mai 1944 nehmen beide gemeinsam an einer Konferenz in Wien teil, bei der man Fahrtzeiten und -routen für die Deportation ungarischer Jüdinnen und Juden abstimmt.[14] Martins Einsatz wird 1944 mit der Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes II. Klasse mit Schwertern honoriert.[15]
Martin gilt ab dem 16. April 1945 als verschollen. Laut Aussagen ehemaliger Kolleg:innen soll er zu Kriegsende Selbstmord durch Gift verübt haben.[16] 1955 wird er vom Amtsgericht Schöneberg für tot erklärt,[17] auf Antrag seines Schwiegervaters, der zuvor die Todeserklärung seiner einzigen Tochter Helga veranlasst hat. Die Ermittlungen gegen Martin werden 1966 vorläufig eingestellt. Als Leiter der Geheimregistratur sei Martin zwar mit Deportationen beschäftigt gewesen, jedoch könne der subjektive Tatbestand nicht nachgewiesen werden, so die Begründung.[18]
[1] Pfarre r. k. Alservorstadtkrankenhaus, Taufbuch, Bd. 240, fol. 480. Eltern: Friedrich Josef Martin, Eleonore (Lori) geb. Fahringer.
[2] Pfarre r. k. Klosterneuburg-St. Martin, Trauungsbuch, Bd. 12, fol. 61.
[3] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 7, Bd. 17, fol. 93. R. u. S.- Fragebogen.
[4] Ebd., Teil 7, Bd. 17, fol. 85. Vordruck Reichsführer-SS, Rasse- und Siedlungshauptamt.
[5] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/127860. Lebenslauf.
[6] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 1, Bd. 1, Bogen 4, fol. 221–233. Eidesstattliche Erklärung Dieter Wisliceny.
[7] Ebd., Teil 7, Bd. 15, fol. 321–327. 4. Verhandlungstag, Zeuge Richard Hartenberger, 10.12.1969.
[8] Ebd., Teil 1, Bd. 1, Bogen 1, fol. 55f–55i. Vernehmung Franz Novak, 20.3.1961. Ebd., Teil 7, Bd. 15, fol. 348–356. Zeugin Erika Scholz, 11.12.1969.
[9] Standesamt Berlin-Mitte, Familienbuch, Zl. 1250/43.
[10] Helga Martin, geb. Preuß, 31.7.1921, Berlin, Todeserklärung vor 1955.
[11] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/127860. Lebenslauf.
[12] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 1, Bd. 1, Bogen 4, fol. 221–233. Eidesstattliche Erklärung Dieter Wisliceny. LAB, B Rep. 057-01, Nr. 2018. BMI, Aktennotiz, o. D.
[13] Berlin, Sterberegister, Prenzlauer Berg, Nr. 3088/1943.
[14] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 2729/63, Teil 8, Bd. 18, fol. 139–180. Dritter Verhandlungstag, 22.3.1972.
[15] Ebd., Teil 7, Bd. 17, fol. 92. Kartei.
[16] Ebd., Teil 7, Bd. 17, fol. 51–53. Vermerk, 4.1.1967.
[17] Ebd., Teil 7, Bd. 17, fol. 25. Amtsgericht Schöneberg, Beschluss, 11.11.1955.
[18] LAB, B Rep. 057-01, Nr. 2018. Verfügung, 18.4.1966.