geb. 3. Juli 1910, Liesing
verst. 10. März 1986, Wien[1]
Franz Stuschka wird in eine alteingesessene Familie in Liesing geboren. Der Vater ist bei der Brauerei Liesing beschäftigt, der Großvater Essigfabrikant. Die Eltern heiraten 1905 in Courbevoie nahe Paris. Die ältere Schwester wird 1906 in Frankreich geboren, Franz erst nach der Rückkehr der Eltern nach Österreich. Nachdem der Vater 1915 in Sibirien fällt, bleibt die Witwe mit den zwei Kindern zurück. Über die schwedische Kinderhilfe (»Rädda Barnen«) kommt Stuschka 1919 nach Schweden, das nach dem Ersten Weltkrieg notleidende österreichische Kinder aufnimmt. Erst 1922, nachdem seine Mutter eine Tabaktrafik übernehmen und den Lebensunterhalt der Familie bestreiten kann, kehrt er nach Liesing zurück.
Stuschka besucht nach der Bürgerschule die Technisch-gewerbliche Bundeslehranstalt in Mödling, bricht die Ausbildung zum Elektrotechniker jedoch nach vier Jahren ab. Die Schuld am Misserfolg sucht er bei den väterlichen Verwandten und seinen Lehrern. 1934 bis 1936 ist er als Akkordarbeiter in einer Färberei beschäftigt, verliert diesen Posten aber wegen NS-Betätigung. Stuschka, der sich im Deutschen Turnerbund und im Verband Deutscher Mittelschüler und Fachstudenten früh politisiert, ist ab 1934 Mitglied der damals illegalen NSDAP und SS. Er verbüßt während der Verbotszeit mehrere Freiheitsstrafen. Nach seiner letzten Entlassung aus dem Anhaltelager Wöllersdorf setzt er sich 1937 nach Deutschland ab. Als Österreichischer Legionär durchläuft er in Ranis die militärische und ideologische Schulung und wird bei der Luftwaffe auf der ostfriesischen Insel Langeoog stationiert.
Stuschka kehrt im März 1938 nach Liesing zurück. Für seine Haftzeiten erhält er 1939 eine Entschädigung von 1.700 Reichsmark. Im selben Jahr erfolgen seine Aufnahme in die Waffen-SS und den SD und sein Eintritt in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien. Laut eigener Angaben ist er dort als Kanzleibediensteter für Polizeiabfragen zuständig. Ende 1939 wechselt Stuschka in die Zentralstelle in Prag und schließlich 1940 in das Eichmann-Referat IV B 4 im RSHA in Berlin. Dort ist er als leitender Mitarbeiter mit Organisationsfragen beschäftigt. Ab 1942, nunmehr im Rang eines SS-Obersturmführers, leitet er die Postkontrolle, die Häftlingspost aus den KZ Theresienstadt, Treblinka, Majdanek und Auschwitz zensuriert.
Ab 1944 ist Stuschka Lagerkommandant des KZ Wulkow-Zossen, eines Außenlagers des KZ Theresienstadt, wo das RSHA ein Ausweichquartier errichten lässt. Er will dort als Baufachmann lediglich mit der technischen Bauaufsicht betraut gewesen sein. Zeugen werden später von Stuschkas ausgeprägtem Sadismus und Jähzorn berichten: Sein Markenzeichen ist ein Fahrradschloss an einer Eisendrahtspirale, mit dem er blindlings auf Häftlinge einschlägt. 1945 führt Stuschka Kommando im Arbeitslager Hof in Bayern.
Stuschka setzt sich zu Kriegsende nach Altaussee ab. 1946 wird er in Bad Ischl verhaftet, wo er in einer Autoreparaturwerkstätte arbeitet. Er wird im amerikanischen Camp Marcus W. Orr (genannt Glasenbach) interniert. Das Volksgericht Wien verurteilt Stuschka 1949 wegen des Verbrechens des Hochverrats, der Quälerei und Misshandlung sowie der Verletzungen der Menschlichkeit und Menschenwürde zu sieben Jahren schweren Kerkers sowie zum Vermögensverfall. Von der Anklage wegen Mordes während seines Einsatzes in Wulkow wird er mangels ausreichender Beweise freigesprochen. Dem Antrag auf Auslieferung an die Tschechoslowakei wird nicht gefolgt.
Stuschka wird im März 1951 bedingt entlassen. Er findet eine Anstellung als Hilfsarbeiter bei einer Wiener Elektrofirma, was es ihm 1955 ermöglicht, eine eigene Wohnung in Liesing zu beziehen. 1957 heiratet er eine zwanzig Jahre jüngere Frau, die ein Kind von ihm erwartet. Im selben Jahr wird Stuschkas Verurteilung infolge der allgemeinen NS-Amnestie getilgt. Die noch nicht bezahlten Kosten des Strafvollzugs werden nachgelassen.
Franz Stuschka wird in eine alteingesessene Familie in Liesing, im heutigen 23. Bezirk, geboren.[2] Der Vater ist bei der Brauerei Liesing beschäftigt,[3] der Großvater Essigfabrikant.[4] Die Eltern heiraten 1905 in Courbevoie nahe Paris.[5] Die ältere Schwester wird 1906 in Frankreich geboren, Franz erst nach der Rückkehr der Eltern nach Österreich. Nachdem der Vater 1915 in Sibirien fällt,[6] bleibt die Witwe mit den zwei Kindern zurück. Über die schwedische Kinderhilfe „Rädda Barnen“ kommt Stuschka 1919 nach Schweden, das nach dem Ersten Weltkrieg notleidende österreichische Kinder aufnimmt. Dort verbringt er über zwei Jahre. Erst 1922, nachdem seine Mutter eine Tabaktrafik übernehmen und den Lebensunterhalt der Familie bestreiten kann, kehrt er nach Liesing zurück.[7]
Stuschka besucht nach der Bürgerschule die Technisch-gewerbliche Bundeslehranstalt in Mödling,[8] bricht die Ausbildung zum Elektrotechniker jedoch nach vier Jahren ab. Die Schuld am Misserfolg sucht er bei den väterlichen Verwandten und seinen Lehrern.[9] 1934 bis 1936 ist er als Akkordarbeiter in einer Färberei beschäftigt,[10] verliert diesen Posten aber wegen NS-Betätigung. Stuschka, der sich im Deutschen Turnerbund und im Verband Deutscher Mittelschüler und Fachstudenten früh politisiert, ist ab 1934 Mitglied der damals illegalen NSDAP und SS.[11] Er dient als Verbindungsmann zur Gendarmerie, zu der eine familiäre Verbindung besteht: Stuschka ist mit der Tochter des örtlichen Gendarmeriekommandanten, eines Parteigenossen, liiert.[12] Stuschka verbüßt während der Verbotszeit mehrere Freiheitsstrafen. Nach seiner letzten Entlassung aus dem Anhaltelager Wöllersdorf setzt er sich Mitte 1937 nach Deutschland ab. Als Österreichischer Legionär durchläuft er in Ranis die militärische und ideologische Schulung und wird als SS-Wachzugführer bei der Luftwaffe auf der ostfriesischen Insel Langeoog stationiert.[13]
Stuschka kehrt im März 1938 nach Liesing zurück.[14] Für seine Haftzeiten als illegales NSDAP-Mitglied erhält er 1939 eine Entschädigung von 1.700 Reichsmark.[15] Im selben Jahr erfolgen seine Aufnahme in die Waffen-SS und den SD und sein Eintritt in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien. Laut eigenen Angaben ist er dort als Kanzleibediensteter für Polizeiabfragen zuständig.16 Im November 1939 wechselt Stuschka in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Prag und schließlich 1940 in das Eichmann-Referat IV B 4 im RSHA mit Sitz in der Kurfürstenstraße in Berlin.[17] Dort ist er als leitender Mitarbeiter mit Organisationsfragen beschäftigt. Ab 1942, nunmehr im Rang eines SS-Obersturmführers,[18] leitet er die Postkontrolle,[19] die Häftlingspost aus den KZ Theresienstadt, Treblinka, Majdanek und Auschwitz zensuriert.[20] Im selben Jahr erleidet Stuschka einen Lungendurchschuss.[21]
Ab dem Frühjahr 1944 ist Stuschka Lagerkommandant des KZ Wulkow-Zossen, eines Außenlagers des KZ Theresienstadt nahe Sachsenhausen, wo das RSHA ein Ausweichquartier errichten lässt.[22] Er will dort als Baufachmann lediglich mit der technischen Bauaufsicht betraut gewesen sein. Zeugen werden später von Stuschkas ausgeprägtem Sadismus und Jähzorn berichten: Sein Markenzeichen ist ein Fahrradschloss an einer Eisendrahtspirale, mit dem er blindlings auf Häftlinge einschlägt.[23] Stuschka selbst behauptet, für reichliche Verpflegung und ärztliche Betreuung der Häftlinge gesorgt zu haben.[24] 1945 führt Stuschka Kommando im Arbeitslager Hof in Bayern, einem weiteren Außenlager des KZ Theresienstadt.[25]
Stuschka setzt sich zu Kriegsende nach Altaussee ab.[26] 1946 wird er in Bad Ischl verhaftet, wo er in einer Autoreparaturwerkstätte arbeitet und von einem ehemaligen Häftling erkannt wird. Er wird im amerikanischen Camp Marcus W. Orr („Glasenbach“) interniert.[27] Das Volksgericht Wien verurteilt Stuschka 1949 wegen des Verbrechens des Hochverrats, der Quälerei und Misshandlung sowie der Verletzungen der Menschlichkeit und Menschenwürde zu sieben Jahren schweren Kerkers sowie zum Vermögensverfall. Von der Anklage wegen Mordes während seines Einsatzes in Wulkow wird er mangels ausreichender Beweise freigesprochen.[28] Dem Antrag auf Auslieferung an die Tschechoslowakei wird nicht gefolgt.[29]
Stuschka wird im März 1951 bedingt entlassen.[30] Er kommt vorerst in einem Ledigenheim in Wien unter, bevor er Ende 1951 zurück zu seiner Mutter und Schwester und deren zwei Söhnen nach Liesing zieht.[31] Noch während der Probezeit kommt es 1953 anlässlich einer häuslichen Auseinandersetzung zu einer Verurteilung wegen Körperverletzung.[32] Stuschka findet eine Anstellung als Hilfsarbeiter bei einer Wiener Elektrofirma, was es ihm 1955 ermöglicht, eine eigene Wohnung in Liesing zu beziehen. Anfang 1957 heiratet er eine zwanzig Jahre jüngere Frau,[33] die ein Kind von ihm erwartet. Im selben Jahr wird Stuschkas Verurteilung getilgt. Die noch nicht bezahlten Kosten des Strafvollzugs werden infolge der allgemeinen NS-Amnestie nachgelassen.[34]
[1] Feuerhalle Simmering, Grab E17-142.
[2] Pfarre r. k. Liesing, Taufbuch, Bd 13, fol. 123. Eltern: Franz Stuschka, Josefine geb. Smolik.
[3] Franz Stuschka, Brauer, geb. 6.8.1878, Liesing, verst. 28.5.1915, Nowonikolajewsk (heute: Nowosibirsk).
[4] Ludwig Stuschka, Essigfabrikant und Realitätenbesitzer in Liesing, Stuschkagasse 1.
[5] Naheliegend wäre ein Zusammenhang mit der Internationalen Ausstellung für Hygiene, Nahrungs- und Genussmittel, s. Internationale Ausstellung Paris 1905, Der Böhmische Bierbrauer, Jg. XXXII, Nr. 15 (1.8.1905), 12. Ferner ist Courbevoie Standort einer Fabrik zum maschinellen Waschen und Desinfizieren gebrauchter Flaschen, s. Zum Rundgang durch die Hygienische Ausstellung, Pharmaceutische Post, 15.7.1906, 6.
[6] WStLA, BG Liesing, A5, P 297/24. Todfallsaufnahme.
[7] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 6995/46. Gnadenbitte Josefine Stuschka, 27.3.1950.
[8] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/559053. Lebenslauf.
[9] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 136.601. Lebenslauf.
[10] Ebd. Bestätigung Alt-Erlaaer Färberei u. Appretur AG, 3.12.1938.
[11] Ebd. NS-Betreuungsstelle Fragebogen.
[12] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 6995/46. Bericht, 22.2.1946. ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 136.601. Bestätigung Martin Poppl, 27.3.1939.
[13] BArch Berlin, BDC: Personenbezogene Unterlagen SS und SA, Sign. R 9361-III/559053. Kartei.
[14] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 6995/46, fol. 699–754. Hauptverhandlung, 15.12.1949.
[15] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 136.601. Empfangsbestätigungen, 9.9.1939, 23.9.1939.
[16] LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 8953/66, Teil 1, Bd. I, fol. 373–380. Zeugenvernehmung Franz Stuschka, 6.2.1967.
[17] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 6995/46, fol. 699–754. Hauptverhandlung, 15.12.1949.
[18] LAB, B Rep. 057-01, Nr. 3017, fol. 391. Beförderungsurkunde.
[19] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strakten, Zl. 2729/63, Teil 10, Beilagen Teil A, fol. 249–255. Geschäftsverteilungspläne des Eichmann-Referats, 1941–1944.
[20] LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 8953/66, Teil 1, Bd. I, fol. 45–63a. Zeugenvernehmung Ruth Tilgner, 15.10.1965. Ebd., Bd. II, fol. 211–223. Zeugenvernehmung Edith Dombrowski, 27.7.1967. Ebd., Bd. II, fol. 339–353. Niederschrift Franz Stuschka, 25.9.1967.
[21] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 6995/46, fol. 865. Ärztliches Gutachten, 25.4.1950.
[22] Siehe auch: Paul Karalus, Gesucht wird…Franz Stuschka, WDR 1985.
[23] Z. B. WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 6995/46, fol. 119–120. Niederschrift Franz Cernoch, 13.9.1946.
[24] Ebd. Niederschrift Franz Stuschka, 28.8.1946.
[25] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 2, unfol. [Niederschrift Alfred Slawik].
[26] LAB, B Rep. 057-01, Nr. 3017. Niederschrift Franz Stuschka, 29.6.1966.
[27] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 8881/46, Bd. II, fol. 107–111. BMI an Volksgericht, 5.6.1948.
[28] WStLA, MA119, A42, NS-Registrierung, Zl. 4225/XXIII. Urteil, 17.12.1949.
[29] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 6995/46. LGfSS an OLG, 14.8.1948.
[30] Ebd. Endgültigkeitserklärung, 1.3.1951.
[31] Ebd. Polizeidirektion Wien, Erhebung, 8.5.1950.
[32] Ebd. Polizeidirektion Wien, Bericht, 19.11.1954.
[33] Sophie Stuschka, geb. Werner, Hochschülerin, geb. 19.4.1930.
[34] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 6995/46. LGfSS, Beschluss, 28.9.1957.