geb. 8. August 1898, Bregana nahe Samobor, Kroatien
hing. 24. Mai 1946, Wien
Anton Brunner wird in einer kleinen Ortschaft an der kroatisch-slowenischen Grenze in eine streng katholische Familie geboren. Er ist eines von zwölf Kindern aus den zwei Ehen seines Vaters, der seinen Lebensunterhalt als Drechsler bestreitet. Als Kind übersiedelt Brunner mit den Eltern nach Wien, wo Brunner die Bürger- und Handelsschule besucht. Die Ausbildung zum Bilanzbuchhalter absolviert er in Abendkursen.
In den 1920er-Jahren ist Brunner bei verschiedenen Unternehmen als Bilanzbuchhalter beschäftigt, unter anderem bei der Hutfabrik Brüder Böhm. Dort lernt er seine spätere Frau Maria Nowak kennen, die hier ebenfalls als Buchhalterin arbeitet. Das Paar heiratet Mitte 1932. Bis 1934 arbeitet Brunner im Vertrieb vom Neuigkeits-Welt-Blatt, das die autoritäre Dollfuß-Regierung unterstützt. Er selbst ist zu diesem Zeitpunkt gewerkschaftlich organisiertes Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, was zu seiner Kündigung führt. 1934 bis 1938 schlägt sich Brunner mit Gelegenheitsarbeiten durch.
Der »Anschluss« beendet die jahrelange Arbeitslosigkeit. Brunner erhält eine fixe Anstellung als Sachbearbeiter des NS-Stillhaltekommissars, wo er mit der Liquidierung konfessioneller Vereine betraut ist. Mitte 1939 tritt Brunner in die NSDAP ein und heuert kurz darauf bei der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien an. Zu seinen ersten Aufgaben gehört die Auflösung der Israelitischen Kultusgemeinden in den Bundesländern. Der unerwartete Karrieresprung ermöglicht Brunner 1939 die Übersiedlung in ein elegantes Wohnhaus in Wien 7., Schottenfeldgasse 89. Die Wohnung steht infolge des Selbstmords des Vormieters und der Kündigung seiner Witwe frei.
In der Zentralstelle beaufsichtigt Brunner II bis Ende 1940 die »jüdische Berufsumschichtung«, sprich: die Zwangsumschulungen zu Handwerk und Landwirtschaft. Ab 1941 ist er in Vorbereitung der Deportationen mit der Registrierung der jüdischen Bevölkerung beschäftigt. Bis 1943 leitet Brunner II die »Kommissionierungen« in den Wiener Sammellagern. Von den durchgeschleusten Menschen wählt er jeweils 1.000 Personen für die Deportation. Dabei werden ihnen Personaldokumente, Wertgegenstände und Bargeld abgenommen. Nachweislich ist Brunner II für 48 von insgesamt 56 »Kommissionierungen« persönlich zuständig.
Anders als seine Kollegen ist Brunner II kein Mitglied der SS und besitzt keinen militärischen Dienstgrad. Vor allem von Jüdinnen und Juden lässt er sich gerne als Kommissar ansprechen. Er ist als fanatischer Antisemit gefürchtet, der seine Opfer brutal misshandelt und sadistisch quält. Sein Erscheinen in den Sammellagern löst Panik aus, da Brunner allein über die Deportation und somit über Tod oder Leben seiner Opfer entscheidet. Er fällt sein Urteil mit Willkür und über jede Dienstvorschrift hinausgehender Härte. Nach Abschluss der Deportationen aus Wien wird Brunner II im Februar 1943 in die Buchhaltungsabteilung des Auswanderungsfonds für Böhmen und Mähren versetzt.
Brunner II flüchtet zu Kriegsende aus Prag. Er wird Mitte 1945 in Oberösterreich verhaftet und wegen Verschleppung von 48.000 Jüdinnen und Juden angeklagt. Brunner II gibt zu, Transporte in dieser Größenordnung in Richtung Riga, Minsk, Auschwitz und Theresienstadt abgefertigt zu haben. Er behauptet, dabei nur ein Sachbearbeiter ohne Verfügungsgewalt und ohne genaueres Wissen über die Vernichtung gewesen zu sein, und versucht, die Schuld auf seinen Namensvetter Brunner I abzuwälzen. Im Mai 1946 verurteilt ihn das Volksgericht zum Tod durch den Strang. Brunner II sei mit den Deportationen nicht nur vollständig einverstanden gewesen, sondern habe auch kein Mittel unversucht gelassen, um diese in der radikalsten Weise durchzuführen, so das Urteil. Bis zuletzt zeigt Brunner keine Reue und leugnet jede Misshandlung seiner Opfer.
Anton Brunner wird in einer kleinen Ortschaft an der kroatisch-slowenischen Grenze in eine streng katholische Familie geboren.[1] Er ist eines von zwölf Kindern aus den zwei Ehen seines Vaters, der seinen Lebensunterhalt als Drechsler bestreitet. Als Kind übersiedelt Brunner mit den Eltern nach Wien. Die Familie lebt im 15. Bezirk, wo Brunner die Bürger- und Handelsschule besucht. Die Ausbildung zum Bilanzbuchhalter absolviert er in Abendkursen.
Der „Anschluss“ beendet die jahrelange Arbeitslosigkeit. Brunner erhält eine fixe Anstellung als Sachbearbeiter des NS-Stillhaltekommissars, wo er mit der Liquidierung konfessioneller Vereine betraut ist.[8] Mitte 1939 tritt Brunner in die NSDAP ein[9] und heuert kurz darauf bei der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien an. Zu seinen ersten Aufgaben gehört die Auflösung der Israelitischen Kultusgemeinden in den Bundesländern.[10] Der unerwartete Karrieresprung ermöglicht Brunner 1939 die Übersiedlung in ein elegantes Wohnhaus in Wien, 7., Neubau, Schottenfeldgasse 89.[11] Die Wohnung steht infolge des Selbstmords des Vormieters und der Kündigung seiner Witwe frei.[12] Beide Ehepartner sind zwar schon lange aus der Kultusgemeinde ausgetreten, gelten aber nach den Nürnberger Rassengesetzen als Juden.
In der Zentralstelle beaufsichtigt Brunner II bis Ende 1940 die „jüdische Berufsumschichtung“, sprich: die Zwangsumschulungen zu Handwerk und Landwirtschaft.[13] Ab 1941 ist er in Vorbereitung der Deportationen mit der Registrierung der jüdischen Bevölkerung beschäftigt. Bis 1943 leitet Brunner II die „Kommissionierungen“ in den Wiener Sammellagern.[14] Von den durchgeschleusten Menschen wählt er jeweils 1.000 Personen für die Deportation.[15] Dabei werden ihnen Personaldokumente, Wertgegenstände und Bargeld abgenommen. Nachweislich ist Brunner II für 48 von insgesamt 56 „Kommissionierungen“ persönlich zuständig.[16]
Anders als seine Kollegen ist Brunner II kein Mitglied der SS und besitzt keinen militärischen Dienstgrad. Er amtiert in Zivil.[17] Vor allem von Jüdinnen und Juden lässt er sich gerne als Kommissar ansprechen.[18] Er ist als fanatischer Antisemit gefürchtet, der seine Opfer brutal misshandelt und sadistisch quält. Sein Erscheinen in den Sammellagern löst Panik aus, da Brunner allein über die Deportation und somit über Tod oder Leben seiner Opfer entscheidet.[19] Er fällt sein Urteil mit Willkür und über jede Dienstvorschrift hinausgehender Härte.
Nach Abschluss der Deportationen aus Wien wird Brunner II im Februar 1943 in die Buchhaltungsabteilung des Auswanderungsfonds für Böhmen und Mähren versetzt, der an die Prager Zentralstelle angeschlossen ist. Er bezieht mit seiner Frau und dem 1941 geborenen Sohn eine geräumige Wohnung in einem villenartigen Haus. Seine Wiener Wohnung überlässt er seinem Freund, dem berüchtigten Gestapobeamten Johann Sanitzer.
Brunner II flüchtet zu Kriegsende aus Prag. Er wird Mitte 1945 in der grenznahen oberösterreichischen Gemeinde Ulrichsberg verhaftet und wegen Verschleppung von 48.000 Jüdinnen und Juden angeklagt. Brunner II gibt zu, Transporte in dieser Größenordnung in Richtung Riga, Minsk, Auschwitz und Theresienstadt abgefertigt zu haben. Er behauptet, dabei nur ein Sachbearbeiter ohne Verfügungsgewalt und ohne genaueres Wissen über die Vernichtung gewesen zu sein, und versucht, die Schuld auf seinen Namensvetter Brunner I abzuwälzen.[20]
[1] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4574/45, fol. 331–342. Hauptverhandlung, 6.5.1946. Eltern: Ferdinand Brunner, Josefine geb. Urban.
[2] Ebd., fol. 59–61. Niederschrift Anton Brunner, 1.10.1945.
[3] Maria, geb. Nowak, 29.6.1903, Wien, verst. 24.11.1968, Wien; verh. (1) Brunner, (2) Krieger. Pfarre r. k. Schottenfeld, Taufbuch, Bd. 99, fol. 60.
[4] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4574/45, fol. 81–82. Niederschrift Maria Brunner, 11.10.1945.
[5] Ebd. Das Paar holt die kirchliche Trauung 1937 nach, s. Pfarre r. k. Rudolfsheim, Trauungsbuch, Bd. 37, fol. 19.
[6] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4574/45, fol. 59–61. Niederschrift Anton Brunner, 1.10.1945.
[7] Ebd., fol. 93i–k. Vernehmung Anton Brunner, 1.4.1946.
[8] ÖStA, AdR, ZNSZ, StiKo, Zl. 19 PA Blau.
[9] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4574/45, fol. 235–236. Anklageschrift.
[10] Ebd., fol. 59–61. Niederschrift Anton Brunner, 1.10.1945.
[11] WStLA, Historische Meldedaten.
[12] Ing. Felix Lautner, Zivilingenieur für Maschinenbau und Elektrotechnik, geb. Löwy, 10.6.1877, Wien, verst. 24.7.1938, Wien; Friederike Lautner, geb. Mislap, 22.11.1887, Wien, dept. 26.5.1942, KZ Maly Trostinec. DÖW, Opferdatenbank.
[13] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4574/45, fol. 14–18. Organisation der Zentralstelle für jüd. Auswanderung Wien, 24.8.1945.
[14] Siehe: Markus Brosch, Täter – die Mitarbeiter der Wiener „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, in: Dieter J. Hecht/Michaela Raggam-Blesch/ Heidemarie Uhl (Hg.), Letzte Orte: Die Wiener Sammellager und die Deportationen 1941/42, Wien 2019, 137–149.
[15] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4574/45, fol. 14–18. Organisation der Zentralstelle für jüd. Auswanderung Wien, 24.8.1945.
[16] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4574/45, fol. 387–398. Urteil, 10.5.1946.
[17] Ebd., fol. 208f. Zeugenvernehmung Josef Weiszl, 1.4.1946.
[18] Ebd., fol. 387–398. Urteil, 10.5.1946.
[19] Ebd.
[20] Ebd., fol. 67–69. Niederschrift Anton Brunner, 3.10.1945.
[21] Siehe: Eva Holpfer, Die justizielle Verfolgung der Mitarbeiter der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ nach 1945, in: Hecht et al. (Hg.), Letzte Orte, 187–206.
[22] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 4574/45, fol. 387–398. Urteil, 10.5.1946.
[23] Ebd., fol. 62–63. Niederschrift Anton Brunner, 4.10.1945.