Täter & Täterinnen
Biografien

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Verpixeltes Bild von Mann mit Brille © Kronenzeitung, 14.06.1961
Alfred Slawik © Kronenzeitung, 14.06.1961

Alfred Slawik

SS-Oberscharführer

geb. 20. Oktober 1913, Wien
verst. 11. Mai 1973, Wien[1]


Alfred Slawik wächst im 5. Bezirk auf. Der Vater ist Graveur, die Mutter Miedernäherin. Als Jugendlicher ist Slawik beim Deutschen Turnerbund organisiert. Nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule macht er eine Selcherlehre, die er 1933 mit der Gesellenprüfung abschließt. 1934 bis 1936 ist Slawik bei einem Fleischhauer in Braunau am Inn beschäftigt. Ab Anfang 1938 arbeitet er im Schlachthaus St. Marx in Wien.

 

Slawik tritt 1933 in die NSDAP ein. Er wird 1936 Mitglied der SS. Als Illegaler ist er Träger des Ehrenwinkels der »Alten Kämpfer« und der Ostmark-Medaille. Mit dem »Anschluss« stehen die Weichen beruflich wie privat auf Erfolg. Im Mai 1938 heiratet er seine aus dem Waldviertel stammende Frau Maria Hager. Das Paar bezieht eine Gemeindewohnung in Wien-Meidling, wo das erste von drei Kindern geboren wird. Für den Vormieter, der die Wohnung als »Nichtarier« räumen muss, beginnt ein siebenjähriger Leidensweg.

 

Slawik arbeitet ab Februar 1939 in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung, vorerst als Ordonanz im Wach- und Telefondienst. Er begleitet die ersten Deportationen nach Nisko am San, wobei er dort nur als Koch für die SS-Mannschaft eingesetzt gewesen sein will. 1940 folgt er Anton Zita als Kommandant des »Umschulungslagers« Sandhof nach. Zurück in Wien, gehört Slawik zum SS-Wachpersonal der Sammellager in der Kleinen Sperlgasse und Castellezgasse. Ein willkommenes Zubrot bringt die Begleitung von Deportationszügen nach Polen, was sich in hohen Tagegeldern niederschlägt. Slawik, der groß, kräftig und auch stimmgewaltig ist, gilt als unberechenbar und launenhaft, da er sich gleichermaßen durch besondere Brutalität und Sentimentalität auszeichnet.

 

1942 ist Slawik in der Slowakei stationiert. Dort ist er Mitglied des Kommandos unter Dieter Wisliceny, das Deportationstransporte in die Vernichtungslager organisiert. Danach verbringt er rund vierzehn Monate in Thessaloniki und Athen, wiederum im Sonderkommando Wisliceny, dem auch Brunner I als Aktionsleiter und die Wiener Kollegen Gerbing, Zita und Brückler angehören. Slawik wird später behaupten, auch hier nur für die Verpflegung der SS-Kameraden abgestellt gewesen zu sein. Mitte 1944 wird er nach Budapest kommandiert, wo er als Hausdiener bei Eichmann beschäftigt ist und dessen Haushalt besorgt. Anfang 1945 wird Slawik vom RSHA Berlin angefordert, wo die Akten aus dem Dienstgebäude in der Kurfürstenstraße zu verbrennen sind. Zuletzt gehört er zum Wachpersonal im Arbeitslager Hof in Bayern, einem Außenlager des KZ Theresienstadt.

 

Slawik setzt sich zu Kriegsende mit Eichmann nach Altaussee ab. 1946 wird er zur Fahndung ausgeschrieben und schließlich in Hermading nahe Braunau verhaftet. Er wird vorerst im Camp Marcus W. Orr (»Glasenbach«) interniert und später nach Wien überstellt. Slawik bestreitet alles: Er habe weder Jüdinnen und Juden misshandelt noch von deren Vernichtung gewusst. 1949 verurteilt ihn das Volksgericht wegen Verbrechen des Hochverrats, der Quälereien und Misshandlungen, der Verletzungen der Menschlichkeit und der Menschenwürde und der Hilfeleistung zur Vertreibung aus der Heimat zu fünf Jahren schweren Kerkers sowie zum Vermögensverfall.

 

Slawik wird im April 1951 unter Festsetzung einer dreijährigen Probezeit bedingt entlassen. Kurz darauf holt er die kirchliche Trauung mit seiner Gattin nach. Er findet Arbeit in der Spedition Kirchner & Co., wo er zum Magazinmeister aufsteigt. 1957 zieht er mit seiner Familie in einen neu errichteten Gemeindebau in Wien-Favoriten. Im selben Jahr wird seine Verurteilung gemäß der NS-Amnestie getilgt, die noch nicht bezahlten Kosten des Strafverfahrens und des -vollzuges werden nachgelassen. 1961 kommt Slawik infolge des Eichmann-Prozesses erneut in Untersuchungshaft, nachdem er in Verdacht steht, einen jüdischen Jugendlichen in Budapest zu Tode geprügelt zu haben. Mangels ausreichender Beweise wird das Verfahren Anfang 1962 eingestellt und Slawik auf freien Fuß gesetzt.

Alfred Slawik wird in Wien geboren[2] und wächst im 5. Bezirk auf. Der Vater ist Graveur, die Mutter Miedernäherin.[3] Als Jugendlicher ist Slawik beim Deutschen Turnerbund organisiert.[4] Nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule macht er eine Selcherlehre, die er 1933 mit der Gesellenprüfung abschließt. 1934 bis 1936 ist Slawik bei einem Fleischhauer in Braunau am Inn beschäftigt.[5] Ab Anfang 1938 arbeitet er im Schlachthaus St. Marx in Wien.[6]


Slawik tritt bereits 1933 in die NSDAP ein.[7] Er wird 1936 Mitglied der SS, zuerst in der Standarte 11 und 1938 in der Standarte 89.[8] Als Illegaler ist er Träger des Ehrenwinkels der „Alten Kämpfer“[9] und der Ostmark-Medaille.[10] Mit dem „Anschluss“ stehen die Weichen beruflich wie privat auf Erfolg. Im Mai 1938 heiratet Slawik seine aus dem Waldviertel stammende Frau Maria Hager.[11] Das Paar bezieht eine Gemeindewohnung in Wien, 12., Meidling, Neuwallgasse 4 (heute: Karl-Löwe-Gasse), wo das erste von drei Kindern geboren wird. Der Vormieter, der die Wohnung als „Nichtarier“ räumen muss, wird nach Dachau deportiert. Für ihn beginnt ein siebenjähriger Leidensweg.[12]


Slawik arbeitet ab Februar 1939 in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung, vorerst als Ordonanz im Wach- und Telefondienst.[13] Er begleitet die ersten Deportationen nach Nisko am San, wobei er dort nur als Koch für die SS-Mannschaft eingesetzt gewesen sein will.[14] 1940 folgt er Anton Zita als Kommandant des „Umschulungslagers“ Sandhof nach.[15] Zurück in Wien, gehört Slawik zum SS-Wachpersonal der Sammellager in der Kleinen Sperlgasse und Castellezgasse. Ein willkommenes Zubrot bringt die Begleitung von Deportationszügen nach Polen,[16] was sich in hohen Tagegeldern niederschlägt.[17] Slawik, der groß, kräftig und auch stimmgewaltig ist, gilt als unberechenbar und launenhaft, da er sich gleichermaßen durch besondere Brutalität und Sentimentalität auszeichnet. Eine ehemalige Kollegin wird ihn später als Feigling beschreiben.[18] Er sei das gewesen, was man in Wien ein „Seicherl“ nennt, gibt sie abschätzig zu Protokoll: ein typischer Liebediener, der imstande war, Kollegen zu vertratschen und sich nachher aus Reue zu entschuldigen.[19]


Seinen Wohnungsnachbarn zeigt Slawik 1941 bei der Gestapo als Kommunisten an, sodass dieser verhaftet und als Hochverräter hingerichtet wird.[20] 1942 ist Slawik mehrere Monate in der Slowakei stationiert. Dort ist er Mitglied des Kommandos unter Dieter Wisliceny,[21] das Deportationstransporte in die Vernichtungslager organisiert. Seinen Dienst wird Slawik später als „sehr angenehm“ beschreiben.[22] Danach verbringt er rund vierzehn Monate in Thessaloniki und Athen, wiederum im Sonderkommando Wisliceny, dem auch Brunner I als Aktionsleiter und die Wiener Kollegen Gerbing, Zita und Brückler angehören.[23] Slawik wird später behaupten, auch hier nur für die Verpflegung der SS-Kameraden abgestellt gewesen zu sein: Der gelernte Fleischselcher setzt viel auf seine Kochkünste.


Mitte 1944 wird Slawik nach Budapest kommandiert, wo er als Hausdiener bei Eichmann beschäftigt ist und dessen Haushalt besorgt.[24] Anfang 1945 wird Slawik vom RSHA Berlin angefordert, wo die Akten aus dem Dienstgebäude in der Kurfürstenstraße zu verbrennen sind.[25] Zuletzt gehört er zum Wachpersonal im Arbeitslager Hof in Bayern, einem Außenlager des KZ Theresienstadt. Laut Zeugenaussagen ist er sich der Rechtswidrigkeit seiner Handlungen bewusst: Um sich für die Zeit danach rückzuversichern, lässt Slawiks Brutalität nach, je offenkundiger wird, dass der Krieg verloren ist.[26]


Slawik setzt sich zu Kriegsende mit Eichmann nach Altaussee ab.[27] 1946 wird er zur Fahndung ausgeschrieben[28] und schließlich in Hermading nahe Braunau, wo er als Landhelfer untergekommen ist, verhaftet.[29] Er wird vorerst im Camp Marcus W. Orr („Glasenbach“) interniert und später nach Wien überstellt.[30] Slawik bestreitet alles: Er habe weder Jüdinnen und Juden misshandelt[31] noch von deren Vernichtung gewusst.[32] 1949 verurteilt ihn das Volksgericht wegen Verbrechen des Hochverrats, der Quälereien und Misshandlungen, der Verletzungen der Menschlichkeit und der Menschenwürde und der Hilfeleistung zur Vertreibung aus der Heimat zu fünf Jahren schweren Kerkers sowie zum Vermögensverfall.[33]


Slawik wird im April 1951 unter Festsetzung einer dreijährigen Probezeit bedingt entlassen.[34] Kurz darauf holt er die kirchliche Trauung mit seiner Gattin nach.[35] Er findet Arbeit in der Spedition Kirchner & Co., wo er zum Magazinmeister aufsteigt.[36] 1957 zieht er mit seiner Familie in einen neu errichteten Gemeindebau in Wien, 10., Favoriten. Im selben Jahr wird seine Verurteilung gemäß der NS-Amnestie getilgt, die noch nicht bezahlten Kosten des Strafverfahrens und des -vollzuges werden nachgelassen.[37] 1961 kommt Slawik infolge des Eichmann-Prozesses erneut in Untersuchungshaft, nachdem er im Verdacht steht, einen jüdischen Jugendlichen in Budapest zu Tode geprügelt zu haben. Mangels ausreichender Beweise wird das Verfahren im Februar 1962 eingestellt und Slawik auf freien Fuß gesetzt.[38]

[1] Wiener Zentralfriedhof, Grab 126-2-8.

[2] Pfarre r. k. St. Anton von Padua, Bd. 26, fol. 738. Eltern: Alfred Slawik, Katharina geb. Pap.

[3] Pfarre r. k. St. Josef zu Margareten, Trauungsbuch, Bd. 38, fol. 92.

[4] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 1, unfol. SS-Stammkarte.

[5] Ebd., Bd. 1, fol. 95. Nationale, 19.9.1946.

[6] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 183/53, fol. 159–164. Vernehmung des Beschuldigten Alfred Slawik, 20.11.1953.

[7] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 1, unfol. SS-Stammkarte.

[8] Ebd., Bd. 2, unfol. [Vernehmung des Beschuldigten Alfred Slawik].

[9] ÖStA, AdR, ZNSZ, Gauakt, Zl. 22.523. NSDAP Gauleitung Wien, 4.7.1938.

[10] WStLA, MA119, A42, NS-Registrierung. Meldeblatt.

[11] Maria Slawik, geb. Hager, 26.11.1919, Kammegg/Kamp, verst. 1.5.1973, Wien. Pfarre r. k. Gars am Kamp, Taufbuch, Bd. 01/21, fol. 274.

[12] Karl Hoch, Theatersekretär, geb. 1.10.1884, dept. 28.5.1938, KZ Dachau, 21.9.1938, Buchenwald, 26.2.1941, Opole, verst. 17.11.1953, Wien. Vgl.: Herbert Exenberger/Johann Koß/Brigitte Ungar-Klein, Kündigungsgrund Nichtarier, Wien 1996, 246.

[13] Siehe: Markus Brosch, Täter – die Mitarbeiter der Wiener „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, in: Dieter J. Hecht/Michaela Raggam-Blesch/Heidemarie Uhl (Hg.), Letzte Orte: Die Wiener Sammellager und die Deportationen 1941/42, Wien 2019, 137–149.

[14] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 2, unfol. [Vernehmung des Beschuldigten Alfred Slawik].

[15] Ebd., Bd. 1, fol. 167. Zeugenvernehmung Rudolf Flussmann, 7.4.1948.

[16] WStLA, MA119, A42, NS-Registrierung, Zl. 3292/I. Polizeidirektion Wien, 11.12.1946.

[17] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafsachen, Zl. 3967/61, Bd. 1, fol. 265. [Vernehmung des Beschuldigten Alfred Slawik].

[18] Ebd., Bd. 1, fol. 33. Niederschrift Gertraud Plattensteiner, 25.10.1946.

[19] Ebd., Bd. 1, fol. 69. Niederschrift Gertraud Plattensteiner.

[20] Anton Hajek, Postbediensteter, geb. 5.6.1895, Gramatneusiedl, hing. 7.1.1943, Wien. Gestapo Tagesrapport Nr. 12, 26.–27.11.1941. WStLA, Volksgericht, A1, Vr-Strafakten, Zl. 275/45.

[21] Dieter (Dietrich) Wisliceny, SS-Hauptsturmführer, geb. 13.1.1911, Regulowken, hing. 4.5.1948, Bratislava. Siehe: Hans Safrian, Eichmann und seine Gehilfen, Frankfurt am Main 1995.

[22] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 2, fol. 197. [Vernehmung des Beschuldigten Alfred Slawik].

[23] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 183/53, fol. 159–164. Vernehmung des Beschuldigten Alfred Slawik, 20.11.1953.

[24] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 1, fol. 165. Zeugenvernehmung Ernst Girzick.

[25] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 8953/66, Teil 1, Bd. II, fol. 371–385. Niederschrift Alfred Slawik, 27.9.1967.

[26] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 1, unfol. Zeugenvernehmung Alfred Weisz.

[27] Ebd., Bd. 2, unfol. Vernehmung des Beschuldigten.

[28] WStLA, Volksgericht, A1, Vg Vr-Strafakten, Zl. 275/45. Entwurf für Fahndungsblatt, 14.1.1946.

[29] Ebd. Amtsvermerk, 23.10.1946.

[30] Siehe: Eva Holpfer, Die justizielle Verfolgung der Mitarbeiter der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ nach 1945, in: Hecht et al., Letzte Orte, 187–206.

[31] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 1, unfol. [Aussage Alfred Slawik].

[32] Ebd., Bd. 2, unfol. [Vernehmung des Beschuldigten Alfred Slawik].

[33] WStLA, MA119, A42, NS-Registrierung. Urteil, 20.9.1949.

[34] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 1, fol. 317. Direktion Männerstrafanstalt Stein, 26.4.1951.

[35] Pfarre r. k. St. Anton von Padua, Taufbuch 26, fol. 738.

[36] WStLA, LGfSS, A11, Vr-Strafakten, Zl. 3967/61, Bd. 2, fol. 239. Zeugenvernehmung Alfred Slawik, 6.7.1961.

[37] Ebd., Bd. 1, fol. 427. Beschluss, 10.10.1957.

[38] Ebd., Bd. 3, fol. 83. Gefangenenhaus I, Kartei, 5.2.1962.